Sportpolitik

Zur Berichterstattung über Joseph Blatter, den Skandal-Präsidenten des Weltfußballverbands Fifa:

"Einst haben die Kerle auf Bäumen gehockt, behaart und mit böser Visage. Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt ... Da saßen sie nun den Flöhen entflohn, in zentralgeheizten Räumen. Da sitzen sie nun am Telefon. Und es herrscht noch genau derselbe Ton wie seinerzeit auf den Bäumen." Immer, wenn ich Joseph Blatter auf dem Bildschirm sehe, fällt mir die derbe Ironie Erich Kästners ein, mit der er "Die Entwicklung der Menschheit" so treffend karikiert. Blatter, das unwürdige Zerrbild eines alten Mannes, von Ehrgeiz, Eitelkeit und Geltungssucht zerfressen, korrupt bis in die Gene, süchtig nach Macht und Anerkennung. Wie lächerlich er doch ist, wie er in eitler Pose und krampfhafter Jugendlichkeit auf Partys tänzelt und kokettiert und jedes Maß für Eigenreflexion verloren hat. Der Popanz Blatter kann die Fäden nicht mehr aus der Hand geben, vermutlich wird er am Ende noch mit dem Tod mit einem Millionenscheck aus der Portokasse um seinen Verbleib feilschen. Wäre Blatter nur ein lächerlicher alter Mann und nicht der Kopf eines korrupten Fifa-Geflechts, könnte man es bei Spott und Verachtung belassen. Wie ist es möglich, dass die ganze Welt den mafiösen Machenschaften und Betrügereien der Fifa-Führung tatenlos zusieht? Korruption überall, Schieberei bei der Vergabe von Weltmeisterschaften, schamlose Bereicherung der Führungsclique! Die Erklärung ist einfach: Eine Hand wäscht die andere, und überall hält jemand die Hand auf. Das auf Schmiergeld basierende Geflecht der Fifa reicht global überallhin, bis in höchste Regierungskreise, bis in die Spitzen von Politik und Justiz: Man ist unter sich! Haben Sie gesehen, wie freundschaftlich Putin und Blatter sich umarmten? Für die Moralvorstellungen des Normalbürgers haben diese Leute nur ein müdes Lächeln übrig. Dennoch, wir Normalbürger sind selbst Teil dieser Pest, weil wir süchtig nach der Droge "Fußball" sind, süchtig an der Glotze hängen und auf die plumpste Werbung hereinfallen. Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, woher die horrenden Gehälter und Ablösesummen für Fußballprofis kommen? Das ist doch pervers! Und haben wir - Sie und ich - den Charakter, uns zu verweigern, indem wir die Glotze beim nächsten Länderspiel nicht einschalten? Blatter ist überall: In den Vorstandsetagen und Aufsichtsräten der Banken und Konzerne, an der Spitze vieler Staaten - Ausnahmen bestätigen die Regel. Überall sind sie, die kleinen und großen Blatters, die Ehrgeizlinge, die aufgeblasenen Wichtigmacher im feinen Zwirn, im Nadelstreifenanzug, in eitlen Gewändern. Sie streben mit tierischem Ernst nach Geld, Einfluss und Macht, halten sich für unentbehrlich - wie Joseph Blatter. Bei Erich Kästner sind sie "bei Lichte betrachtet im Grund noch immer die alten Affen!" Manfred Schmitz, Flußbach

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