Theater Staubtrocken, sperrig, spannungsarm

Zum Artikel „Liebe in der Todeszone“ über die Inszenierung von Shakespeares „Romeo und Julia“ in Trier (TV vom 25. März) schreibt Dr. Christian Reidenbach:

Kritiker Dr. Rainer Nolden hat offenbar nicht denselben Shakespeare-Abend besucht wie ich. Romeo und Julia von hinten erzählen, aus der Leichenaufbewahrungshalle heraus: So etwas kann man machen. Doch im Theater Trier werden die Szenen zügig aneinandergereiht, ohne dass man der Rasanz etwa der Luhrmann-Verfilmung auch nur ansatzweise nahekäme. Die Regie genügt sich darin, die Stationen des Stückparcours abzuarbeiten, und vertraut im Übrigen auf die Musik als den Kitt, der den Abend zusammenhält.

Auch in den Szenen gehen die Dinge allzu glatt vor sich: Romeo greift zügig zu, wenn Julias Hand in Reichweite kommt. Schüchternheit des ersten Mals? Widerstände bei der Eroberung? Weit gefehlt. Regisseur Ryan McBride präsentiert Resultate, keine Entscheidungswege. Entsprechend spannungsarm rauschen die Szenen vorbei, Verliebtheit und Verzweiflung bleiben auf Vorabendserienformat. Noch nicht einmal den Balkon hinaufkraxeln darf dieser Romeo, seine Julia steigt ja zu ihm herunter. Die dramaturgische Fallhöhe der Szene ist damit freilich schon dahin.

Dass die Kulissen in (aufgemalter) Kacheloptik allzu leicht ins Wackeln geraten, mag man angesichts der Sparzwänge des Theaters noch durchgehen lassen. Dass man jedoch die (kostenlose) Schlegel-Übersetzung wählte, die den Schauspielern staubtrocken und sperrig im Mund liegt, ist nicht nachzuvollziehen. Daran ändert auch nichts, wenn man stellenweise – etwa bei den Zoten eines Mercutio – auf modernes Übersetzungsmaterial zurückgreift. Wenn in Trier die Shakespeare’schen Pointen auch dann selten zünden, liegt das an einer trotz Mikroports miserablen Textverständlichkeit. Sie entsteht, wenn vor allem die jüngeren Darsteller den pubertären Überdruck der Figuren mit der ungeführten Energie ihrer Darstellung verwechseln.

Schließlich sind es Details, an denen sich die Geschmacksferne des Regieteams beweist: Eine weiße Trennlinie auf dem Eisernen als Zeichen der Trennung – das entspricht in etwa der Symbolik, die man in einem Kindergottesdienst antreffen könnte. Später, im Moment der Vermählung, entsteht dann per Beamer eine dramatische Aureole um das frischgetraute Paar.

Wäre das Trash in einem ansonsten unironischen Setting? Oder der Swarovski-Effekt in einer glanzlosen Inszenierung?

Wohlgemerkt: Ich habe das Theater zur Pause verlassen. Möglich, dass sich die eigentlichen Theaterwunder, von denen der Volksfreund berichtet, erst im zweiten Teil zugetragen haben.

Dr. Christian Reidenbach, Trier

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