Theater

Zur Berichterstattung über die Produktion "Faust I" in Trier:

Faust I - gerade unser Thema in der Abiklasse Deutsch Leistungskurs am HGT - also wir sind wohl die Experten? Aber dann sahen wir "Faust I" im Theater Trier: verwirrend und unverständlich - aber toll gespielt! Schon am Anfang vermitteln lange Pausen irrtümlich den Eindruck, dass die Schauspieler ihren Text vergessen haben - doch nein, sie leisten Großes! Nur - der Text - ein wild gemischtes "Ragout" aus Versatzstücken - wer ist hier wer - wer spricht hier was? "Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken" (Vers 99) lässt Goethe seinen Theaterdirektor sagen, aber doch so, dass der Sinn erhalten bleibt! Vor allem der religiöse Überbau fehlt hier jedoch großenteils oder wird lächerlich gemacht und als unbedeutend dargestellt. Wo bleibt aber die Aussage stattdessen? Die Figuren haben nicht viel mit dem Originaltext zu tun, Gott ist Valentin - oder was? Gretchen räkelt sich aufgedreht und verrückt am Anfang und am Ende bloß im kurzen Paillettenkleidchen auf der Bühne - nicht dass das langweilig wäre! Die Schauspieler klettern und singen und arbeiten hart. Aber dieses Bühnenevent leiht sich den Namen "Faust I" und tut so, als wäre es eine Aufführung des Goethe-Stücks. Mag sich auch "jede Zeit weiterhin ihren eigenen Faust" machen (wie es im Programmzettel behauptet wird), so kann doch die vielbeschworene "künstlerische Freiheit" kein Freibrief für Beliebigkeit sein, keine Erlaubnis, dass irgendeiner, der einen Job als "Regisseur" hat, die Aussage dieses "klassischsten aller deutschen Klassiker" (was auch immer das heißen mag, vergleiche Programmzettel) auf sein persönliches Welt- und Menschenbild hinbiegt. Wo bleibt also die Bedeutung dieser Aufführung für uns, das Publikum? Das abstrakte Bühnenbild teilt von Anfang bis Ende mit, dass wir hier ein persönliches Problem dieses "Faust" genannten frustrierten Wissenschaftlers sehen, in dessen Kopf nur physische, keinesfalls aber metaphysische Vorstellungen existieren. Was haben wir mit dieser Figur zu tun? Wir wissen es nicht! Bei Goethes "Faust" aber wissen wir es schon! Gehen Sie doch rein, wenn Sie das Stück nicht gelesen haben! Wie antworten Sie dann? Das wüssten wir gerne. Um Antwort wird gebeten. Leistungskurs Deutsch (DE 3, Dr. Auernheimer) des Abiturjahrgangs am Humboldtgymnasium Trier

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort