Trüffelschweine und Trübfischer

Wir laden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zum Dialog ein. Sagen Sie uns Ihre Meinung! Das Motto: Leser fragen - die Chefredaktion antwortet.

Werner Bühler aus Wittlich schreibt: In seinem Kommentar "Bewertet wird, was sich nicht wehrt" (TV vom 24. Juni) kommt Bernd Wientjes zu dem Schluss: "Das Kernproblem der Seiten besteht darin, dass die Bewertungen anonym abgegeben werden dürfen und damit Manipulationen und Beleidigungen ungestraft möglich sind. Bewertungsseiten sind eine neue und gute Form der Information, aber die Betreiber müssen verpflichtet werden, dass sich kein Bewerter hinter Fantasie-Namen verstecken darf. Wer eine Meinung hat, soll dazu mit seinem Namen stehen." Dem ist nur der Wunsch hinzuzufügen, dass auch der Trierische Volksfreund endlich aufhören sollte, anonymen Schreibern die Möglichkeit zu geben - oft unsachliche, beleidigende und manchmal sogar mit nachweislich falschen "Tatsachen" gespickte - Kommentare in der Online-Ausgabe des TV zu veröffentlichen. Was für Leserbriefe im TV selbstverständliche Regel ist, dass nämlich der Redaktion die gesamte Anschrift des Autors bekannt sein muss, müsste auch für die Online-Kommentare gelten. Auch da dürften Fantasie-Namen keine Chance haben.

Lieber Herr Bühler,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Das von Ihnen aufgezeigte "Online-Dilemma" beschäftigt uns täglich: So viel Information, so viel Wissen war nie - so viel Blödsinn, so viel Beschimpfung aber auch nicht. Es gilt, den Königsweg aus dieser Zwickmühle zu finden, stets aufs Neue zu versuchen, die Vorteile zu nutzen, die das Netz bietet, und die Nachteile zu minimieren.

Die klassischen Medien: Wenige entscheiden, was viele lesen oder anschauen (sollen). Was in der Zeitung steht oder was die "Tagesschau" sendet, wird von Redakteuren ausgewählt, aufbereitet und aufgeräumt präsentiert. Ein Ausschnitt des Zeitgeschehens, zusammengetragen von Reportern, Nachrichtenagenturen, ein wenig auch von Lesern und Zuschauern.

Die neuen Medien: Alle teilen (sich) mit, zu allem und jedem. Im Internet wird rund um die Uhr, in Echtzeit, oft ohne Punkt und Komma gezwitschert, geschnattert und geschwätzt. Grenzenlose Hirnverzwirnung zwischen Weltgeist und Zeitgeist, zwischen Wahnsinn und Wahrheit, zwischen Fug und Unfug. Nachrichten-Kanäle wie spiegel.de oder volksfreund.de neben sozialen Netzwerken wie StudiVZ neben privaten Homepages neben Twitter, und alle irgendwie miteinander vernetzt. Ein Chaos, unverblümt, unkontrolliert, unsortiert.

Gut ist: Viele wissen mehr als Einzelne. Das Phänomen der Schwarm-Intelligenz. Hunderte, Tausende oder gar Millionen von "Trüffelschweinen" können nicht irren, hieß es kürzlich in der FAZ. Wenn diejenigen, die etwas wissen, den Rest der Menschheit daran teilhaben lassen, profitieren alle. Nach diesem Prinzip funktioniert etwa Wikipedia. Der irische Dramatiker George Bernard Shaw sagt es so: Wenn du einen Apfel hast, und ich habe einen Apfel, und wir tauschen die Äpfel, besitzen wir immer noch jeder einen Apfel. Aber wenn du eine Idee hast, und ich habe eine Idee, und wir tauschen die Ideen aus, hat jeder von uns zwei Ideen.

Gut ist: Wer etwas weiß, kann es blitzschnell weltweit verbreiten und sich mit anderen austauschen. Die Revolte im Iran, der Kampf der unterdrückten Katholiken in China, der Absturz eines Flugzeugs.

Gut ist: Die Möglichkeit, Beiträge von anderen zu kommentieren, eröffnet die Chance des Diskurses, des herrschaftsfreien Dialogs. Demokratisch, deutlich, direkt.

Nicht gut ist: Das jüngste Gerücht überlagert oft die objektive Nachricht. Zu unterscheiden, was "stimmt" und was nicht, fällt zunehmend schwer.

Nicht gut ist: Schwätzer und Wichtigtuer müllen das Netz zu ("Hab meine stinkenden Socken gewaschen, gehe jetzt aufs Klo").

Nicht gut ist: Im Schutz der Anonymität wächst offenbar der Mut von Trübfischern und Trotteln, dämlichen Dünnpfiff abzusondern oder wüste Beleidigungen rauszurotzen.

Manche sagen, das Gebrabbel im Netz sei wie Party-Geflüster, nett, liebenswert, anregend. Unangenehm wird es, wenn volltrunkene Krakeeler auf den Plan treten. Dann ist Schluss mit lustig, vergleichbar den hanebüchenen Lümmeleien, die sich bisweilen in Online-Foren finden - und für Unmut bei all jenen sorgen, die sich ernsthaft mit den Dingen auseinandersetzen.

Beim TV halten wir es liberal. Jeder ist eingeladen, mitzumachen und zu kommentieren - ohne Registrierung. Vertrauen ist gut, die totale Überwachung unmöglich. Beleidigungen, grobe Beschimpfungen, rechtswidrige Behauptungen werden gesperrt, wenn wir davon erfahren. Dabei helfen uns die Leser mit Ihren Hinweisen. Wir reagieren!

P.S.: Unter http://tinyurl.com/kommentarfaq finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.

Schönes Wochenende!

Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur

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