Landwirtschaft Unerträgliche Beschuldigungen

Zur Berichterstattung über die Proteste der Landwirte schreiben Maria Willems und Horst Grün:

Dem Geschimpfe, dem die Bauern seit einiger Zeit ausgesetzt sind, muss endlich entgegengetreten werden. Nicht umsonst demonstrieren sie deutschlandweit gegen das „Agrarpaket“ der Bundeslandwirtschaftsministerin und des Umweltministeriums. Ständig in den Medien hören und lesen zu müssen, was Bauern alles falsch machen, nervt nicht nur die Bauern selbst, sondern auch vernünftig denkende, von Ideologien freie Bürger. In absurder Weise werden die Landwirte beschuldigt, für das Artensterben und den Klimawandel verantwortlich zu sein, Tiere zu quälen, das Grundwasser zu vergiften und ungesunde Lebensmittel zu produzieren. Zu alledem werden sie unberechtigt beschimpft, Steuergelder aus Brüssel zu kassieren. Fehlt nur noch die Behauptung aus Teilen der Bevölkerung, die Bauern seien zu faul zum arbeiten. Ich frage mich, wie es zu solchen Diffamierungen kommen konnte.

Das Geschrei ist meines Erachtens System und die hohe Politik beugt sich dem Druck potenzieller grüner Wählerschichten. Sie agiert heute so wie sie sich Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts dem Druck der freien Wirtschaft gebeugt hat, deren Ziel es war, Arbeitskräfte aus den Reihen der Bauern zu rekrutieren – für die eigenen ökonomischen Ziele. Damals hieß die Devise „wachsen oder weichen“. Wie ein roter Faden zog sich damals die Empfehlung der „Experten“, die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe deutschlandweit erheblich zu verringern. Erreicht werden sollte das unter anderem mit Preisdruck: Kleine und mittlere Betriebe sollten aufgeben und die großen aufgrund ihrer günstigeren Kostendegression am Leben bleiben und die Flächen der kleineren aufnehmen. Eine „moderne Landwirtschaft“ sollte aufgebaut, die Erträge sollten gesteigert, die Viehbestände erhöht, die Lebenshaltungskosten für die Verbraucher reduziert werden, damit das große Geld für andere Konsumgüter ausgegeben werden konnte.

Hehre Ziele, könnte man meinen, wenn damit nicht eine Todesspirale für Tausende von landwirtschaftlichen Betrieben in Gang gesetzt worden wäre. Diejenigen Betriebe, die im zähen Kampf glaubten überleben zu müssen, investierten Unsummen von Zeit, Arbeit und vor allem Kapital.

Angesichts großer Bauerndemonstrationen in den achtziger und neunziger Jahren, die ein Aufbäumen gegen die Agrarstrukturpolitik der EU waren, entschloss sich Brüssel für Direktzahlungen an die Landwirte. Heute werden den Bauern diese Direktzahlungen geneidet. In Wahrheit sind sie, so meine These, indirekte Subventionen für die Verbraucher. Während noch 1970 circa 50 Prozent der Einkommen für die Lebenshaltung ausgegeben wurden, sind es heute keine zehn Prozent mehr.

Die Lebensmittelkonzerne halten die Produzenten unter Preisdruck. Und der Staat rät den Bauern, ihre Betriebe zu vergrößern. Damit dreht sich die Todesspirale weiter.

Hinzu kommt der gesellschaftliche Druck, ökologische Grundnahrungsmittel zu erzeugen. Vielen Zeitgenossen geht die Umstellung nicht schnell genug, und so werden die Bauern als Sündenböcke für alle möglichen naturschutzrelevanten Probleme abgestempelt. Dieser Hype ist für die Bauern unerträglich. Kein Wunder, dass sie auf die Barrikaden gehen.

Maria Willems, Konz, Ehrenvorsitzende des Landfrauenverbands Saar-Obermosel-Hochwald

Zum Leserbrief „Verhängnisvolle Gier“ (TV vom 30. Dezember):

Ich möchte Gertrud Maus ein großes Lob aussprechen für diesen Leserbrief. Sie wird wohl in meinem Alter sein, denn das könnten meine Worte sein. Und sie hat die Situation noch zurückhaltend beschrieben.

Wer die Entwicklung nach dem Krieg verfolgt hat, kann darüber heute nur den Kopf schütteln. Die Landwirte sagen, dass der Verbraucher die Preise macht, was aber so nicht stimmt, der Landwirt macht sich die Preise selbst kaputt.

Und warum? Weil die Betriebe immer größer werden; damit entsteht das Überangebot. Weniger produzieren, das ist besser für die Umwelt in allen Richtungen.

Warum machen die Landwirte das nicht?

Horst Grün, Bitburg

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