urteil

Zum Artikel "Bundesrichter: Erneute Heirat bleibt Kündigungsgrund" (TV vom 9. September):

Meinung

Der Staat zahlt, die Kirche bestimmt
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts können katholische Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern grundsätzlich kündigen, wenn diese nach einer Scheidung erneut heiraten. Auch wenn die Kündigung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus im konkreten Fall aufgehoben wurde, bleibt die Möglichkeit der Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen ein Ärgernis. Denn auch wenn die Kirchen als zweitgrößter Arbeitgeber in Deutschland mehr als 1,3 Millionen Menschen beschäftigen, müssen sie längst nicht alle ihrer Beschäftigten aus eigenen Mitteln bezahlen. Lediglich 16 Prozent der Personalkosten zahlt die sogenannte "Verfasste Amtskirche" selbst (zum Beispiel aus der Kirchensteuer), sieben Prozent werden aus eigener Wirtschaftstätigkeit der Zweckverbände und aus Spenden bezahlt. Den größten Teil kirchlicher Personalkosten zahlt die öffentliche Hand: 17 Prozent aus allgemeinen Steuergeldern und 60 Prozent aus den öffentlichen Kassen der Sozialversicherungsträger. Obwohl die Kirchen also mehr als 75 Prozent ihrer Mitarbeiter nicht selbst bezahlen, dürfen sie bestimmen, wer unter welchen Bedingungen arbeitet und zur Begründung einer Kündigung Kriterien heranziehen, die eindeutig gegen die Grund- und Freiheitsrechte des Staates verstoßen, der den überwiegenden Teil der Personalkosten trägt. Dieser Umstand sollte bedacht werden, wenn man eine Abwägung zwischen den Rechten der Beteiligten (Kirche, Arbeitnehmer) vornimmt. Dr. Stefan Spies, Trier

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