Verantwortung ja, Schuld nein

Zum Artikel "Bundespräsident: Deutsche müssen ewig für Holocaust einstehen" (TV vom 28. Januar):

Ich wurde im Jahr 1991 geboren, meine Eltern in den Jahren 1959 und 1966, meine Großeltern in den Jahren 1935 und 1936 beziehungsweise 1939 und 1942. Deutlich wird, dass meine Familie seit drei Generationen nicht für die Verbrechen und Gräueltaten der Nationalsozialisten verantwortlich gemacht werden kann.

Des Weiteren sollte man vorsichtig sein, diejenigen zu verurteilen, die in der NS-Zeit lebten und das Regime vermeintlich "mittrugen": Von Zeitzeugen aus meinem Heimatort weiß ich, dass die Zustimmung für Hitler mit jedem Kriegsmonat schwand, dass man zu Hause auf ein Ende der Diktatur hoffte und dass geweint wurde, als jüdische Nachbarn und Freunde abtransportiert wurden.

Schon in Bezug auf damals von einer Kollektivschuld zu sprechen, scheint mir als nicht angemessen; aber geradezu beleidigend ist es, heute zu behaupten, diese Schuld bestehe noch immer und sie werde ewig bestehen.

Ich sehe es als meine Aufgabe und die meiner Generation, den Holocaust nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, permanent daran zu erinnern und zu gedenken, um deutlich zu machen, dass sich so etwas nie wiederholen darf. Dafür wird jedes Jahr am 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Auschwitz, der Opfer gedacht; dafür gibt es deutsch-polnische Partnerinitiativen, in denen Jugendliche über den Massenmord unterrichtet werden und sich austauschen; und dafür gibt es beispielsweise an meiner Schule ein Austauschprogramm mit Israel. Sein Sinn besteht darin, Vertrauen, das unsere Vorfahren bei den Israelis verspielt haben, zurückzugewinnen, und ihnen zu zeigen, dass nicht jeder Deutsche schlecht ist. Dies jedoch steht in krassem Gegensatz zum Begriff der "ewigen Kollektivschuld", den unser Bundespräsident jüngst prägte. Deutsche, insbesondere unsere junge Generation, tragen heutzutage keine Schuld mehr, sondern vielmehr eine Verantwortung gegen das Vergessen. Es wäre schön, Herr Wulff, wenn auch Sie dieses Faktum endlich anerkennen und Ihre Wortwahl dementsprechend anpassen würden.

Lucas Schramm, Greimerath, Schüler des Gymnasiums Saarburg

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