Verblendet

Zur Berichterstattung über Guido Westerwelle und die hitzige Hartz-IV-Diskussion:

Obwohl ich sozial denke, war ich erfreut, als die FDP an die Regierung kam, da ich wusste, dass sie nun ihr wahres Gesicht zeigen und dabei auch scheitern würde. Hier kommt es darauf an, die Ideologie zu entdecken und zu verstehen, die dahinter steckt. "Wir müssen auch auf die achten, die das alles erarbeiten. Das muss man in Deutschland noch sagen können." Letzteres ist exakt der Jargon der Nationalkonservativen. Leider kommen wir damit auch schon zum Kern. Wohlhabende und also Erfolgreiche werden als Vorbild gesehen und in einer Eliteklasse gegenüber den Armen abgegrenzt, die per Definition faul und unnütz sind und daher bestraft und bekämpft werden müssen.

Dieses Gedankengut steht in einer Linie mit den Calvinisten, denen Erfolg und Wohlstand als Beweis göttlichen Wohlwollens und Auserwähltheit galt.

Heute gibt Besserverdienende, "die das alles erarbeiten", während Sozialschmarotzer im "anstrengungslosen Wohlstand" zur "Dekadenz" des Systems führen. Wenn man diese religiös-fanatische Verirrung der Liberalen ungezügelt lässt, steuern wir eine Kapitaldiktatur an. Nur eine schwerwiegende geistige Verblendung kann verdrehen, dass es Massen von Lohnabhängigen sind, die den Reichtum der Erfolg-Reichen erarbeiten. Und dass es die Elitärsten von ihnen sind, die täglich Milliarden Dollar um den Erdball schicken und damit ganze Staaten bankrottieren, die damit anstrengungslosen Wohlstand genießen und beinahe den "Niedergang" herbeigeführt haben.

Es geht also hier nicht um die fallende Maske eines pubertierenden Guido, sondern um die eines "liberalen" Geistes, der mit seiner so hehren Freiheit diejenige der Eliten meint. Der politische Konsens, das Siegen des Stärkeren als oberstes Ziel anzuerkennen, ist tatsächlich eine Gefahr für die Demokratie.

Frank Weiland, Trier

Politiker

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort