Gesundheit Verheerende Folgen

Zum Artikel „Die Psyche braucht Erholung“ (TV vom 23. März) schreibt Horst Schorle:

Der Kinder- und Jugendpsychologe Michael Winterhoff beschreibt in dem Interview mit dem Volksfreund und in seinem Buch „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ ein kritisches Problem in der Entwicklung unserer Gesellschaft.

Viele erinnern sich sicher an einen Werbespot eines namhaften deutschen Geldinstituts, in dem Eltern mit ihrem etwa achtjährigen Kind einen Kreditberater besuchen, um ein Darlehen zu erhalten. Die Eltern stellen einige Fragen, die dem Berater augenscheinlich als sehr naiv erscheinen. Er wendet sich mit einem vielsagenden Augenzwinkern dem Kind zu und gibt diesem zu verstehen: Jetzt verhandeln wir beide, deine Eltern sind dafür zu blöde. Vater und Mutter werden im weiteren Ablauf zu Randfiguren degradiert.

Dieses Beispiel soll zeigen, dass in vielen Familien, aber vor allem im gesellschaftlichen Leben Kindern eine Rolle zugeschrieben wird, die sie gar nicht erfüllen können und daran zwangsläufig mit verheerenden Folgen für ihre psyschische Gesundheit scheitern müssen. Auch das ist Missbrauch eines Kindes! Man kann im ersten Moment über diesen Werbefilm schmunzeln, doch, setzt man sich mit dem Inhalt auseinander, vergeht einem ganz schnell das Lachen.

 Da werden Grenzen nicht nur verschoben, sondern regelrecht aufgehoben. Man lässt das Kind nicht mehr Kind sein und sich Schritt für Schritt spielerisch entwickeln, wie auch ein neues Projekt, vorgestellt von einer Sozialpädagogin im Deutschlandfunk, zeigt. Fünfjährige sollen bereits in der Vorschule Mathematik lernen, um spätere Defizite zu vermeiden. Das wird dann schön subtil verpackt und den Eltern schmackhaft gemacht. Die Kinder lernen ja viel lieber als sie spielen, heißt es lapidar.

 So sollen die Kleinen bereits abgerichtet werden für die Leistungsgesellschaft der Zukunft. Und wer möchte sein Kind nicht bei den Eliten wissen?

Dass der Schuss nach hinten losgeht und viele Kinder in den Praxen von Kinderpsychologen und Psychiatern enden, wird dabei als Kollateralschaden in Kauf genommen. (Die Autoren einer Fernseh-Doku kritisierten vor geraumer Zeit ähnliche Entwicklungen und Auffälligkeiten bei Kindern in Südkorea.) In manchen Bundesländern dürfen Kinder während des Unterrichts von einem Fach ins andere wechseln. Habe ich keinen Bock auf Mathe, gehe ich in Erdkunde oder umgekehrt.

Tugenden wie Verantwortung, Regeln, Durchhalten werden außer Kraft gesetzt. Und dieses Verhalten prägt das Kind für sein ganzes Leben. Spätestens mit 15 Jahren kommt das große Erwachen. Der Lehrmeister teilt den jungen Erwachsenen zum Fräsen ein, der darauf aber keinen Bock hat. Er möchte lieber bohren. Wir können uns alle lebhaft vorstellen, was nach dem dritten Mal Verweigern mit dem Auszubildenden passiert. Berichte von Handwerkern und Betrieben sind hinreichend bekannt.

Eltern rasen mit ihren Kindern von Event zu Event. Der ganze Tag ist getaktet. Kaum eine Ruhephase. Unruhe, Aggressionen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sind die Folgen. Lehrer wissen davon ein Lied zu singen.

Falls wir es nicht schaffen,  umzudenken und den Kindern ein kindgerechtes Leben anbieten, wird die menschliche Katastrophe der zu erwartenden künftigen Klima-Katastrophe in nichts nachstehen.

Horst Schorle, Ingendorf

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