Leserbriefe Völlig ungeniert

Zur Berichterstattung über die Panama-Papers und die Konsequenzen schreibt Rainer Weinand:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ So steht es im Artikel 14, Abs. 2 unseres Grundgesetzes.

Aber sobald jemand zu Geld kommt, egal auf welche Art und Weise, verliert diese Aussage plötzlich ihre Gültigkeit. Dann heißt es nur noch, so viel wie möglich dem Staat und der Allgemeinheit zu entziehen. Die Möglichkeiten dazu sind im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos, auch deshalb, weil unser Staat nicht den Mut hat, mit aller Konsequenz gegen die Praxis der „Steuervermeidung“ vorzugehen. Das Verhalten der Unternehmen und Privatpersonen ist dabei an Zynismus und Arroganz nicht mehr zu überbieten.

Da werden Benefiz-Konzerte veranstaltet, um den armen Menschen in Afrika zu helfen, gleichzeitig werden dem Staat Millionen an Steuern vorenthalten. Da werden gemeinnützige Stiftungen gegründet, um sich oder seinem Unternehmen einen sozialen Deckmantel zu verpassen – gleichzeitig werden Heerscharen von Anwälten dafür bezahlt, sämtliche auch nur denkbaren Steuerschlupf­löcher ausfindig zu machen und diese auch zu nutzen.

Dabei wäre es so einfach: Wer bei uns ein Produkt verkauft, sei es ein Sportschuh oder ein Auto, der muss den dabei erzielten Gewinn auch hier versteuern. Der Bäcker, Buchhändler oder Handwerker, der bei uns seinen Laden betreibt, muss das schließlich auch. Doch den Besitzern großer Vermögen ermöglicht man, die Gewinne so lange in undurchsichtigen Firmengeflechten hin und her zu schieben, bis auf wundersame Weise nichts mehr übrig bleibt, was noch zu einer Steuerpflicht führen würde. Dass ein solches Vorgehen in nicht hinzunehmender Weise unmoralisch ist, interessiert die Pro­tagonisten dabei nicht.

Wenn zum Beispiel ein Herr Schlecker sein Vermögen innerhalb der Familie „verschenkt“, gleichzeitig aber durch die Insolvenz seines Unternehmens Zehntausende Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit schickt, dann wird es höchste Zeit, solchen Vorgängen einen Riegel vorzuschieben. Spätestens jetzt ist die Politik gefordert, sich Lösungen einfallen zu lassen und diese auch durchzusetzen.

Dem normalen Bürger in diesem Land (und auch in anderen Ländern) kann es nicht länger zugemutet werden, dass von seinem Einkommen ein Großteil für Steuern und Sozialabgaben einbehalten wird, während das große Kapital sich völlig ungeniert seiner sozialen Verpflichtung entzieht.

Rainer Weinand, Maring-Noviand

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