Luftfahrt Von wegen kalt erwischt!

Zur Berichterstattung über die Rettung der Lufthansa schreibt Dr. Andreas Wagner:

Allenthalben wird der Kompromiss zum Rettungspaket für die Lufthansa mit Erleichterung aufgenommen. Gewiss: Eine Insolvenz hätte verheerende Folgen für Aktionäre, Belegschaft und von ihr abhängige Industrie- und Dienstleistungsbetriebe. Dennoch sind einige kritische Nachfragen wohl gestattet, geht es doch um circa neun Milliarden Euro aus der Staatskasse, also mehr als 100 Euro pro Bundesbürger, oder – grob überschlägig gerechnet – etwa die Kosten für ein Kurzstreckenflugticket, das jeder Bürger der Lufthansa quasi schenkt.

Die gängige Begründung, das Luftfahrtunternehmen sei wie die gesamte Konkurrenz von der Pandemie kalt erwischt worden, steht auf wackligen Beinen. Immerhin war Lufthansa-Krisenchef Martin Knuchel noch im Herbst 2019 als einer von 15 „Playern“ zu einem Plan-
beziehungsweise Rollenspiel geladen, in dem eine (damals noch) fiktive weltweite Pandemie gedanklich durchgespielt wurde, die von einem von Tieren auf den Menschen übergesprungenen Coronavirus ausgehen und weltweit für Reisebeschränkungen und Lockdowns sorgen sollte. Eingeladen zu diesem „Event 201“ hatten das Weltwirtschaftsforum, die Johns Hopkins University und die Gates-Stiftung (https://www.centerforhealthsecurity.org/event201/). Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht in diesem Leserbrief keineswegs darum, krude Verschwörungstheorien aufzuwärmen, die Bill Gates als den Urheber der Corona-Pandemie brandmarken sollen. Eine tiefergehende Auswertung des bemerkenswerten Treffens überlasse ich lieber den erprobten Qualitätsmedien, allein schon, weil mir Zeit und Hintergrundwissen fehlen. Es geht einzig um die Rolle der Lufthansa: Niemand kann wohl behaupten, dass eine solche Pandemie nicht längst Teil eines internen Krisenszenarios gewesen sei. Warum wurden keine Rücklagen für einen solchen Fall gebildet? Ging man davon aus, dass der Steuerzahler (wieder mal) einspringen würde, wie es im Übrigen auch im genannten Planspiel als passende Handlungsoption nahegelegt wurde? Wenn ja, müsste die Frage gestattet sein, ob die Politik aus der Krise von 2009 gar nichts gelernt hat: Die moralische Legitimation, dass jemand nicht durch Arbeit, sondern durch Investment Geld verdient, basiert auf der Behauptung, dass Aktionäre ja auch die finanziellen Risiken trügen, also auch Verluste an der Börse machen könnten und gegebenenfalls für Unternehmensverluste mit ihrem Privatvermögen haften müssten. Hier entsteht jedoch der Eindruck, dass die Eigner der Lufthansa, wohl wissend, was eintreten könnte, den Unternehmensgewinn jahrelang fleißig abgeschöpft haben, statt ausreichende Polster zu bilden – alles in der Sicherheit, dass die Steuerzahler ihnen in der Krise schon aus der Patsche helfen würden.

Dass der Staat auf Druck der (übrigen) Aktionäre auf Eingriffe ins operative Geschäft verzichten will, setzt dem Ganzen die Krone auf.

Dr. Andreas Wagner, Trier

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