Katholische Kirche Wahre Zivilcourage

Zum Artikel „Trierer Bischof will Sprecher der Opfer nicht anzeigen“ (TV vom 14. Februar) schreiben Mechthild Grüger und Eckhard Otto:

Es scheint mir wie der blanke Hohn: Opfern, die jahre-/jahrzehntelang schweigend unter dem Missbrauch durch Kirchenmänner gelitten haben, wird abverlangt, dass sie eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben!? Das bedeutet doch, dass sie wiederum mit dem im Archiv Gelesenen alleine gelassen werden, Retraumatisierung riskieren!

Würde beispielsweise Opfern beim Einblick in ihre Stasi-Akte eine Verschwiegenheitserklärung vorgelegt, ich bin mir sicher: Ein Aufschrei der Empörung würde durch die Bevölkerung gehen.

Mechthild Grüger, Föhren

Mit Bedauern nimmt eine Sprecherin des Bistums Trier zur Kenntnis, dass Dr. Thomas Schnitzler sich offenkundig nicht an die von ihm unterzeichnete Vereinbarung gehalten hat. Man wolle trotz des möglichen Bruchs einer Verschwiegenheitserklärung vorerst nicht juristisch gegen den Sprecher der Opfervereinigung Missbit vorgehen. Ein möglicher Akt von Nächstenliebe und später Einsicht? Nein, weit gefehlt! Die praktizierte Mauertaktik der katholischen Kirche ging Gott sei Dank schlichtweg in die Hose.

Natürlich hat der selbst missbrauchte Sprecher Dr. Schnitzler einen formellen minderschweren Verstoß im Innenverhältnis begangen, indem er mit den bisher unter kirchlich geheimem Verschluss befindlichen Dokumenten konsequenterweise an die Öffentlichkeit ging und gehen musste. Als Missbrauchsopfer durfte er die schockierenden Dokumente einsehen, jedoch mit der wichtigen Einschränkung, die aus den Unterlagen gewonnenen Erkenntnisse nicht öffentlich werden zu lassen. Lediglich für eigene persönliche Angelegenheiten, etwa im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, dürften diese Unterlagen Verwendung finden. Mit anderen Worten: alles im stillen Kämmerlein belassen, alles wird gut sein.

Dem Opfer Thomas Schnitzler blieb letztendlich keine andere Wahl, als die ungeheuerlichen Feststellungen unter das Volk und an die Medien zu bringen. Es ist eine von Gott gewollte und historische Pflicht, jene Ungeheuerlichkeiten ungefiltert öffentlich, auch wenn mal wieder jahrzehntelang verjährt, anzuprangern und strafrechtlich dann zu verfolgen, wenn keine Verfahrenshindernisse entgegenstehen.

Zu einer öffentlichen Gerichtsverhandlung wäre es wohl nie gekommen, weil die Vorwürfe gegen den verstorbenen Bischof Stein und den betroffenen Geistlichen und Messdienerschänder („Kleriker Nr. 20“) verjährt sind. Zu einem an sich schon strittigen Kirchenrechtsverfahren kam es bei dem pädophilen Geistlichen in gewohnter Weise nicht. Stattdessen wurde er versetzt und als Wiedergutmachung noch befördert.

Zutiefst bedauerlich ist, dass der amtierende Bischof Ackermann als Missbrauchsbeauftragter nicht an die Öffentlichkeit gegangen ist, eigentlich gehen musste.

Juristische Schritte gegen Thomas Schnitzler werden wahrlich ins Leere laufen. Strafrechtlich gibt es keinen Tatbestand, der in einem ordentlichen Gerichtsverfahren zu einer rechtskräftigen Verurteilung führen könnte. Gemäß Kommentierung zu § 203 Strafgesetzbuch (Verschwiegenheitspflicht) fällt Herr Schnitzler nicht unter den Kreis der schweigepflichtigen Personen. In diesem drastischen Fall ist eine Offenbarung nicht verzeihlicher schwerwiegender Ereignisse nach erfolgter Güterabwägung gerechtfertigt und verhältnismäßig – wahrhaftige Aufklärung durch und im Namen der lebenslang traumatisierten Opfer. Eine juristische und moralische Bewertung des gezeigten Verhaltens von Bischof Ackermann ergibt eindeutig ein anderes, ja düsteres Bild. Das Opfer Thomas Schnitzler ist ein gelebtes Vorbild für wahre Zivilcourage, welche manchem hohen kirchlichen Würdenträger als sogenannter Stellvertreter Gottes auf Erden offenkundig fehlt. Die kirchlich verantwortlichen Würdenträger sollten ihrerseits über eigene persönliche Konsequenzen nachdenken. Rücktrittsgedanken nicht ausgeschlossen.

Eckhard Otto, Daufenbach

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