Warum die Nato den Diktator Gaddafi anders behandelt ...

Zu den Artikeln "Gaddafi-Truppen weiter auf dem Vormarsch" und "UN erörtern Flugverbot für Libyen" (TV vom 14. und 15. März):

März 1999: Nachdem die völkisch-separatistische UCK vereinbarungswidrig den Winter genutzt hat, um die von der jugoslawischen Armee vereinbarungsgemäß geräumten Stellungen zu besetzen und die Nato mittels einer für Jugoslawien inakzeptablen Zusatzklausel die Friedensverhandlungen von Rambouillet scheitern ließ, sieht die jugoslawische Armee sich gezwungen, wieder gegen die Separatisten vorzurücken. Die Folgen: Eine große Propagandakampagne der Nato unter reger Beteiligung der Bundesregierung. Minister Scharping (SPD) verbreitet unüberprüfbare Gräuel geschichten, Minister Fischer (Grüne) versteigt sich gar zu der Behauptung, ein "zweites Auschwitz" drohe. Danach heftige Luftangriffe gegen Jugoslawien, keineswegs nur auf militärische Ziele, sondern auch auf Elektrizitäts- und Wasserwerke sowie auf Krankenhäuser.

März 2011: Der libysche Diktator Gaddafi geht mit brutaler Gewalt und überlegenen Waffen gegen sein Volk vor und erobert Stadt für Stadt zurück. Die Folgen: keine Propagandakampagne der Nato, Zurückhaltung der EU. Sie erwägt nur weitere Sanktionen und fordert Gaddafi zum Rücktritt auf, lehnt aber eine militärische Intervention unter verschiedenen Ausflüchten ab. Man wartet die Entscheidung der Uno ab - die nach längerem Hin und Her am vergangenen Donnerstag für eine Flugverbotszone votiert hat.

Seltsam: 1999 sah das ganz anders aus, da handelte die Nato aus eigener Machtvollkommenheit, ohne erst die Uno zu fragen, auch ohne Rücksicht auf das Völkerrecht. Wie kann das sein? Jugoslawien - nach bereits erfolgreicher Spaltungsarbeit damals nur noch die Republiken Serbien und Montenegro - war ein Hindernis für die Südost-Expansion und dazu noch irgendwie sozialistisch.

Gaddafi dagegen hat Europa bisher günstigen Zugriff auf Erdöl gewährt, eifrig europäische Waffen und Überwachungstechnik gekauft und Europa die afrikanischen Armutsflüchtlinge, für die auch die EU verantwortlich ist, vom Leib gehalten - mit denkbar brutalen Methoden.

Aber wen stört das schon in Europa? Mit einer neuen, demokratischen Regierung käme man vielleicht nicht so gut ins Geschäft. Das ist wohl die Erklärung.

Robert Seidenath, Gusterath



Libyen

Warum die Nato den Diktator Gaddafi anders behandelt ...

März 1999: Nachdem die völkisch-separatistische UCK vereinbarungswidrig den Winter genutzt hat, um die von der jugoslawischen Armee vereinbarungsgemäß geräumten Stellungen zu besetzen und die Nato mittels einer für Jugoslawien inakzeptablen Zusatzklausel die Friedensverhandlungen von Rambouillet scheitern ließ, sieht die jugoslawische Armee sich gezwungen, wieder gegen die Separatisten vorzurücken. Die Folgen: Eine große Propagandakampagne der Nato unter reger Beteiligung der Bundesregierung. Minister Scharping (SPD) verbreitet unüberprüfbare Gräuel geschichten, Minister Fischer (Grüne) versteigt sich gar zu der Behauptung, ein "zweites Auschwitz" drohe. Danach heftige Luftangriffe gegen Jugoslawien, keineswegs nur auf militärische Ziele, sondern auch auf Elektrizitäts- und Wasserwerke sowie auf Krankenhäuser. März 2011: Der libysche Diktator Gaddafi geht mit brutaler Gewalt und überlegenen Waffen gegen sein Volk vor und erobert Stadt für Stadt zurück. Die Folgen: keine Propagandakampagne der Nato, Zurückhaltung der EU. Sie erwägt nur weitere Sanktionen und fordert Gaddafi zum Rücktritt auf, lehnt aber eine militärische Intervention unter verschiedenen Ausflüchten ab. Man wartet die Entscheidung der Uno ab - die nach längerem Hin und Her am vergangenen Donnerstag für eine Flugverbotszone votiert hat. Seltsam: 1999 sah das ganz anders aus, da handelte die Nato aus eigener Machtvollkommenheit, ohne erst die Uno zu fragen, auch ohne Rücksicht auf das Völkerrecht. Wie kann das sein? Jugoslawien - nach bereits erfolgreicher Spaltungsarbeit damals nur noch die Republiken Serbien und Montenegro - war ein Hindernis für die Südost-Expansion und dazu noch irgendwie sozialistisch. Gaddafi dagegen hat Europa bisher günstigen Zugriff auf Erdöl gewährt, eifrig europäische Waffen und Überwachungstechnik gekauft und Europa die afrikanischen Armutsflüchtlinge, für die auch die EU verantwortlich ist, vom Leib gehalten - mit denkbar brutalen Methoden. Aber wen stört das schon in Europa? Mit einer neuen, demokratischen Regierung käme man vielleicht nicht so gut ins Geschäft. Das ist wohl die Erklärung. Robert Seidenath, Gusterath

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