Wer Angst hat, verbreitet Angst

Religion

Zur Berichterstattung über das Reformationsjubiläum (TV vom 30./31. Oktober/1. November):
Mir als Katholikin war es ein besonderes Anliegen, zum Feiertag "500 Jahre Reformation" in Prüm am Gottesdienst der Evangelischen Pfarrei teilzunehmen.
Ich bin zufrieden aus der Kirche gegangen, mit der Feststellung, dass wir Christen der beiden großen Kirchen uns sehr viel näher sind, als man uns oftmals zugestehen will.
Bestätigt wurde meine ablehnende Haltung gegen den Wildwuchs, der aus unseren beiden christlichen Kirchen entsteht. Seelenfänger, selbst ernannte Heiler benutzen mitten unter uns die Namen "Kirche", "Bischof" (zum Beispiel Ramolla) oder "Pastor" mit Versprechungen von Gesundheit, Heilung, besser sein als Ungläubige, durch Gebete Schaden abzuwenden, persönliches Pech als Strafe zu bezeichnen. Sie arbeiten mit Angstmacherei. Immer erfinderischer wird in Gebetskreisen, Vereinen, öffentlichen Veranstaltungen, mit Musikproduktionen oder Missionswerken Geld verdient. Die Ausgenutzten merken leider nicht, dass diese Scharlatane zuerst an sich selbst denken. Und darin liegt der Unterschied zu den Halloween-Veranstaltungen mit künstlichem Grusel und Karneval in religiösen Kostümen. Wenigstens wird dort nicht mit religiöser Angstmacherei gearbeitet, sondern es geht um Spaß, den nicht jeder verstehen muss.
Gott hat uns auch den Spaß geschenkt. Wenn wir einerseits Spaß haben wollen und andererseits ernsthaft unseren freien Glauben leben, dürfen wir beides haben. Das Eine nimmt dann dem Anderen nichts weg. Im Gegenteil! Wer Spaß am und im Leben hat und fest daran glaubt, von Gott geliebt zu sein, hat den besten Schutz vor religiösen Wölfen im Schafspelz. Lustige Gesellen sind mir lieber als Schwarzmaler. Der Reformationstag der Protestanten und Allerheiligen der Katholiken haben eins gemeinsam: Man muss keine Leistung erbringen, um von Gott geliebt zu werden! Und Martin Luther sei Dank, diese Feststellung für uns lautstark und in Form seiner 95 Thesen getroffen zu haben.
Angst machen bedeutet Macht über den Anderen zu haben. Dies geschieht täglich in Form von Gewalt, Kindesmissbrauch, Terrorismus, Fremdenfeindlichkeit, rechtsradikaler Politik. Wer Angst hat, verbreitet Angst. Vor wem eigentlich?
Gertrud Maus
Üttfeld

Nach den teils euphorischen Beiträgen über das Reformationsjubiläum möchte ich auf eine nachdenkenswerte Stimme hinweisen: Der ehemalige evangelisch-lutherische Pfarrer Andreas Theurer hat vor kurzem ein Büchlein geschrieben mit dem Titel "Warum werden wir nicht katholisch?" Am Schluss seiner sachlichen Überlegungen fasst er zusammen: "Welche katholischen Glaubensaussagen sind so furchtbar falsch und heilsgefährdend, dass es gerechtfertigt ist, ihretwillen den Leib Christi zu zerreißen? Verleugnen wir Christus, wenn wir den Papst als das irdische Oberhaupt der Christenheit anerkennen?" Und weiter: "Müssen wir als Evangelische die Kircheneinheit verhindern, damit wir weiterhin unsere Sonderlehren beibehalten können, mit denen wir uns sowohl von der biblisch-apostolischen Lehre wie auch von allen katholischen, orthodoxen und altorientalischen Kirchen weltweit absetzen?"
Im Jahr 1517, schreibt Theurer, habe sich die Reformation an den Fragen des Ablasshandels und der Rechtfertigungslehre entzündet. "Der Ablasshandel ist schon lange abgeschafft, und im Jahr 1999 wurde schließlich eine Gemeinsame Erklärung des Lutherischen Weltbundes und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen festgestellt, dass auch in der Rechtfertigungslehre kein wirklicher Dissens mehr besteht und die gegenseitigen Verurteilungen aus der Reformationszeit den heutigen Positionen der Gesprächspartner nicht mehr gerecht werden. Es gibt keinen Grund, uns weiterhin von der Gemeinschaft mit dem Papst und der katholischen Kirche fernzuhalten. 500 Jahre sind genug."
Jeder Christ weiß, dass noch manche Fragen um Macht und Strukturen zu klären sind. Aber es geht doch um den christlichen Glauben in einer schwierigen Zeit.
Johannes Mohr
Trier

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