Jean-Claude Juncker und die Finanzpolitik Wie ein vermeintlich überzeugter Europäer seine Glaubwürdigkeit verspielt

Zum Zitat des Tages auf Seite eins (TV vom 2. Mai) schreibt Ruediger Scheiffele:

Kaum jemand wird bestreiten, dass sich Jean-Claude Juncker, der ehemalige Luxemburger Premier- und Finanzminister und derzeitige Präsident der Europäischen Kommission, über Jahre große Verdienste beim Aufbau und der Weiterentwicklung der Europäischen Union erworben hat. Auch sein im TV abgedrucktes Zitat („Die Pflicht jeder Generation besteht darin, die Schicksale der Europäer – auch der kommenden Generationen – zum Besseren zu verändern und das beständige Versprechen von Frieden, Fortschritt und Wohlstand einzuhalten.“) könnte normalerweise jeder überzeugte Europäer bedenkenlos unterschreiben.

Peinlich nur, Herr Juncker, dass Ihr persönliches Handeln in den letzten Jahren scheinbar nicht mehr mit Ihrem eigenen Anspruch zu diesen Themen in Einklang zu bringen ist, den Sie doch regelmäßig für sich reklamieren. Wie ist es überzeugten Europäern überhaupt noch zu vermitteln, dass Sie persönlich dazu beigetragen, ja sogar federführend mitgewirkt haben, dass es Großkonzernen wie Apple, Google, Facebook, Amazon, Ikea oder auch der Deutschen Bank (nur ein kleiner Teil der begünstigten, börsennotierten Konzerne) ermöglicht wurde, jährlich Steuern in mittlerer dreistelliger Milliarden-Höhe zu vermeiden?

Die von Luxemburg, Irland und anderen Steueroasen geforderten Symbol-Steuersätze von manchmal weniger als einem Prozent haben dazu geführt, dass zwischenzeitlich  dem größten Teil der fast 500 Millionen Verbraucher innerhalb der EU  Steuereinnahmen in einem Umfang von hochgerechnet circa zwei Billionen Euro nicht zur Verfügung gestanden haben.

Wen wundert es da, dass sich bei immer mehr EU-Bürgern die Begeisterung für die Europäische Union in Grenzen hält. Es scheint, als würde hier einerseits nur noch im Interesse und zum Vorteil einiger Neokapitalisten und andererseits zum Nachteil für das Gemeinwohl  Politik gemacht. Rechtfertigen derartige Vergünstigungs-Exzesse es wirklich, dass die wunderbare und alternativlose Idee eines vereinten Europas auf dem Altar von Gier und Gewinnmaximierung nimmersatter Profiteure geopfert wird? Solange Großkonzerne mit der Hilfe von wohlwollenden Staatsdienern und findigen Steuerberatungsgesellschaften ihre Gewinne so verschleiern, verschieben oder kleinrechnen können, dass für unser Gemeinwohl nahezu nichts mehr übrig bleibt, muss die Nachfrage gestattet sein, wie ernst man diese mit viel Pathos gehaltenen Sonntagsreden unserer Volksvertreter oder Zitate  wie das von Herrn Juncker nehmen kann?

Ruediger Scheiffele, Schutzgemeinschaft Sparkassengeschädigte (SGSGA) e.V., Trier

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