Leserbriefe Anne Spiegel: Der Fall einer Über-Ministerin

Spiegel-Rücktritt

Zu den Artikeln „Die Geschichte eines unfreiwilligen Abgangs“, „Das Aus für Anne Spiegel: ein überfälliger Rückzug“ (beide TV vom 12. April) und anderen Texten:

Als Ministerin war Frau Spiegel aus meiner Sicht immer schon umstritten – allerdings gebraucht in einer durch Machtkalkül zusammengehaltenen rheinland-pfälzischen Landesregierung. Trotzdem ließ man sie im Januar 2021 ein weiteres Ministerium in Mainz übernehmen – neben der Spitzenkandidatur im gleichzeitig stattfindenden Wahlkampf.

Viel im politischen Tagesgeschäft für einen Einzelnen – das Narrativ der alles regelnden Übermutter war geboren – zumal in einer Pressemitteilung noch vor der Übernahme des Umweltministeriums verbreitet wurde, dass ihre Kinder ihr zugesagt hätten, dass sie das schaffe. Kinder im bis maximal höheren Grundschulalter, die die belastende Dimension solchen Tuns nicht erfassen können. Vom zuhause für die Familie tätigen Ehemann war darin nicht die Rede.

Nach der Flut im Ahrtal kam später ans Licht, dass das „Wording“ in Bezug auf ihre Person und ihr politisches Überleben von zentraler Bedeutung war. Vor dem rheinland-pfälzischen Untersuchungsausschuss sollte das noch professionell weggelächelt werden. Nun aber das scheibchenweise veröffentlichte Eingeständnis, dass man angesichts der damaligen Ereignisse vier Wochen Familienurlaub in Südfrankreich machte.

Diesen auf einmal dringend erforderlichen Familienurlaub vorzuschieben und auch die vor drei (!) Jahren erfolgte Erkrankung des Ehemanns anlässlich eines Schlaganfalls – die bisher scheinbar nicht als Karrierehindernis herhalten musste – ist mehr als fragwürdig. In Pressekonferenzen dann auch noch großmütig mit „Entschuldigungen“ davonkommen zu wollen, lässt tief blicken in das Menschen- und Amtsverständnis, aber auch das Karrierebewusstsein von Frau Spiegel.

Und in Rheinland-Pfalz? Eine nur nach außen hin mütterlich wirkende Ministerpräsidentin hat ihren Urlaub nach den schlimmen Ereignissen im Ahrtal nicht angetreten – das war angemessen und pflichtbewusst. Ihr durch manche Erfahrung gestählter politischer Instinkt hat ihr frühzeitig signalisiert, dass im Handeln ihrer politisch verantwortlichen Kabinettsmitglieder Sprengstoff enthalten sein könnte.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass die Empfehlung für ihre Stellvertreterin zu höheren politischen Weihen in Berlin uneigennützig war. Ein für das rheinland-pfälzische Machtgefüge gefährlicher Teil des politischen Eklats findet jetzt weitab von den Niederungen heimischer Politik statt.

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