Militär Wir brauchen keine neuen Waffen, sondern neues Denken!

Zu den Artikeln „Koalition streitet über Atombomben“ (TV vom 4. Mai) und „Streit um Atombomben ist neu entflammt“ (TV vom 6. Mai) schreiben Rudolf Kemmer, Norbert Bogerts und Thomas Zuche:

Während die SPD-Führung eine Beendigung der Stationierung von US-Atombomben in Deutschland fordert, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion Henning Otte: „Die Naivität von Teilen der SPD-Führung ist gefährlich für die Sicherheit Deutschlands.“ Solange diese Waffen außerhalb der Nato existieren, bleibe die Abschreckung der „Garant unserer Sicherheit.“ Die 20 US-Atomwaffen auf dem Bundeswehrfliegerhorst Büchel werden nach US-Plänen modernisiert. Die CDU-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer plant als Ersatz für die überalterten Tornado-Trägerflugzeuge die Anschaffung eines neuen atomwaffenfähigen Kampfflugzeuges für die Bundeswehr. So sollen 45 Jets vom Typ F-18 des US-Herstellers Boeing gekauft werden. Unter den neuen Flugzeugen befinden sich 30 vom Typ F-18 Super Hornet, die explizit für den Einsatz zum Abwurf der in Deutschland stationierten US-Atomwaffen vorgesehen sind. Zudem sollen noch 93 Eurofighter angeschafft werden. Dieser Einschätzung halte ich entschieden entgegen, dass ein milliardenschweres Aufrüstungsprojekt nicht mehr Frieden und Sicherheit bedeutet, sondern mehr Bedrohung, mehr Wettrüsten, mehr Feindbilder, mehr Misstrauen. Jegliche weitere Aufrüstung, zumal atomare Nachrüstung und Militarisierung, ist abzulehnen. Die Anschaffung eines neuen atomwaffenfähigen Flugzeugs würde Deutschlands Rolle im Rahmen der nuklearen Teilhabe der Nato auf lange Zeit festlegen. Dabei hatte sich der Bundestag bereits 2010 fraktionsübergreifend für den Abzug aller Atomwaffen aus Büchel ausgesprochen.

Statt eines milliardenschweren Aufrüstungsprojekts brauchen wir alle menschlichen Ressourcen für die großen anstehenden Probleme der globalen Menschheitsfamilie wie Klima- und Umweltschutz und gerechtere Weltwirtschaftsstrukturen; auch die drängende Flüchtlingsfrage braucht eine humane Lösung. Es ist eine Schande, dass Deutschland bisher nur 47 minderjährige Jugendliche aus den griechischen Flüchtlingslagern aufgenommen hat, aber gleichzeitig bereit ist, immer mehr Geld in Militär und Rüstung zu stecken. Die Corona-Krise zeigt sehr deutlich, dass wir für unsere Sicherheit weder Atomwaffen noch Atombomben brauchen, sondern ein intaktes Gesundheitssystem, bezahlbare Wohnungen und vieles mehr für ein nachhaltiges und humanes Weiterentwickeln der Welt. Nach meiner Überzeugung braucht es statt Aufrüstung und Drohung mit militärischer Gewalt neues Denken aus nachhaltiger globaler Verantwortung.

Rudolf Kemmer, Wittlich, Mitglied der christlichen Friedensbewegung Pax Christi

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will kurzfristig über die milliardenschwere Anschaffung von Jets des Typs F-18 als künftige Trägersysteme für die US-Atomwaffen in Deutschland entscheiden. Die nukleare Teilhabe Deutschlands würde so ohne öffentliche Debatte und auch entgegen dem Parlamentsbeschluss vom 26. März 2010, auf eine vollständige nukleare Abrüstung Deutschlands hinzuwirken, weitergeführt, obwohl die große Mehrheit der Menschen in unserem Land die Stationierung von Atomwaffen ablehnt.

Bei Einsatzreichweiten von rund 2000 Kilometern der F-18-Kampfflugzeuge gibt es nicht viele Ziele, die außerhalb des EU-Territoriums liegen. Würden deutsche Piloten etwa Kaliningrad, den russischen Außenposten in direkter Nähe zu Polen und Litauen, nuklear bombardieren; und könnten sie dies überhaupt gegen die hochmoderne russische Luftabwehr? Dazu schweigt die Nato. Somit stellt sich die Frage, ob ein Einsatz militärisch sinnvoll oder moralisch vertretbar wäre.

Jede einzelne F18 kostet etwa so viel wie 2000 bis 3000 intensiv-medizinische Beatmungsgeräte, die weltweit dringend zum Schutz von Leben benötigt werden. Statt deutsche Steuerzahler den potenziellen Einsatz von Massenvernichtungswaffen finanzieren zu lassen, sollten diese Mittel die internationale Gemeinschaft in der Krisenbewältigung und beim Klimaschutz unterstützen, was der Sicherheit der Bevölkerung sehr viel zuträglicher wäre. Sind Kernwaffen nach der Corona-Krise überhaupt noch systemrelevant?

Die Nato-Verbündeten sollen kollektiv über den Einsatz der in Europa stationierten Atomwaffen entscheiden. Aber wie soll das in einer sich schnell entwickelnden Krise möglich sein? Was passiert, wenn einige Verbündete ausscheren? Wann und wo sollen Atomwaffen eingesetzt werden? Und welche Folgen für die Mitwirkung hat es, dass ein Präsident wie Donald Trump ultimativ über den Einsatz amerikanischer Bomben entscheidet? Für eine Beantwortung dieser Fragen fehlen der Öffentlichkeit viele Informationen.

Atomwaffen schützen nicht vor Gefahren wie Cyberangriffen, Terrorismus oder dem Klimawandel, sondern stellen sowohl auf lange Sicht als auch aktuell ein Risiko dar. Die Beschaffung wäre ein verheerendes Signal für die internationalen Bemühungen um nukleare Abrüstung, sie wäre als Beitrag zur weiteren nuklearen Aufrüstung ein Schlag ins Gesicht aller friedliebenden Menschen.

Sinnvoller und friedenssichernder wäre es, wenn Deutschland statt aufzurüsten dem Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen als Ausweg aus dem nuklearen Wettrüsten beitreten würde.

Norbert Bogerts, Welschbillig

Zum Kommentar „Die Flucht ins Neutrale ist keine Lösung“ (TV vom 5. Mai):

Ja, Werner Kolhoff, Sie haben recht: Die Logik der atomaren Abschreckung ist absurd. Und sie ist brandgefährlich für alles Leben auf dieser Erde. Die Atomunfälle von Tschernobyl und Fukushima zeigen: Menschliche Technik ist störanfällig. Das Restrisiko ist untragbar. Im Fall der Atombewaffnung wäre ein Versagen der Technik oder der Vernunft der Handelnden noch furchtbarer. Dürfen wir ein solches Risiko eingehen, auch im Blick auf nachfolgende Generationen? Sollen deutsche Piloten im Kriegsfall US-Atombomben im „Feindesland“ abwerfen und einen Massenmord Unschuldiger wie in Hiroshima und Nagasaki auslösen? Wenn nicht, ist auch die Drohung damit unhaltbar. Hinzu kommt: Die US-Nuklear„garantie“ und die angebliche nukleare Teilhabe sind ein ungedeckter Scheck. Die Annahme, dass der US-Präsident Chicago opfern würde, wenn Hamburg vernichtet wäre, ist doch Illusion. Gerade deshalb betreibt die US-Regierung die „Miniaturisierung“ von Atomwaffen für das – wie es heißt – „Gefechtsfeld“, um einen Atomkrieg gegebenenfalls fernab der Heimat führbar zu machen. Das ist die Logik hinter der angekündigten Stationierung neuer Atombomben in Büchel.

Die Welt ist in der Vergangenheit durch störanfällige Technik mehrfach an einem Atomkrieg vorbeigeschrammt. Deutschland ist aus der zivilen Nutzung der Atomenergie ausgestiegen. Es sollte auch aus dem atomaren Wettrüsten aussteigen, das schon jetzt durch die Veruntreuung von Milliarden-Geldern in einem Kalten Frieden tötet.

75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sollte Deutschland ernsthafte Abrüstungsinitiativen ergreifen und mit gutem Beispiel vorangehen.

Thomas Zuche, Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V., Trier

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