Leserbriefe Woher nehmen?

Zum Artikel „Wachstum und kein Ende in Sicht“ (TV vom 12. Januar) schreibt Michael Wilmes:

Mit dem früheren BDI-Präsidenten Ulrich Grillo stimme ich überein, dass die Industrie „das tragende Fundament der Gesellschaft“ ist. Die Industrie trägt hohe Verantwortung für die Entwicklung des Klimas in den nächsten Jahrzehnten, so wie sie für den Klimawandel seit ihrem ersten nennenswerten Aufkommen um 1850 verantwortlich ist. Mit dieser Auffassung gehe ich mit der BDI-Initiative „Wirtschaft für Klimaschutz“ von 2009 d’accord. Der BDI zeichnet ein überaus optimistisches Bild der Bewältigung des Klimawandels, nimmt aber auch den Skeptikern eines von Menschen gemachten Klimawandels den Wind aus den Segeln: „Mit dem Anstieg des Energieverbrauchs hat sich beispielsweise in China der jährliche CO2-Ausstoß seit 1990 mehr als verdoppelt“ (Zitat aus „Wirtschaft für Klimaschutz“).

Niemand kann dessen schädliche Wirkung auf die Umwelt bestreiten. Allerdings sagt „die Industrie“ auch ganz klar, dass Billionen (!) Euro hierzulande in den Klimaschutz investiert werden müssen, damit der Ausstoß von Treibhaus-Gasen bis 2050 um realistische 80 Prozent in Deutschland gesenkt werden kann. Da stellt sich dem ohnehin schon gebeutelten Steuerzahler die Frage: Woher nehmen?

Angeregt wird seitens der Industrie die Ausweitung des (preisgesetzten) CO2-Emmissionshandels auch auf den Verkehr. Zugleich fordert sie die unterirdische Speicherung von CO², die aber bislang an der Ablehnung durch Bürgerinitiativen scheitere. Wieweit diese sachlich berechtigt ist, vermag ich nicht zu beurteilen, sie zeigt aber ein grundsätzliches Misstrauen bestimmter Teile der Bevölkerung. Und das ist ernst zu nehmen.

Ein von CDU und SPD geplantes Klimaschutzgesetz lehnt die Industrie als „zu unflexibel“ ab. Bei allem (eingeschränkten) Verständnis für die Wahrung ökonomischer Interessen und wirtschaftssystembedingter Notwendigkeit bleibt ein „Geschmäckle“: Spätestens seit der Aufdeckung des VW-Dieselbetrugs (und Betrügereien anderer Autohersteller) mag ich hauseigenen Studien, den darin aufgeführten Tatsachen, den schöngeschriebenen Forderungen und der Selbstdarstellung als mit hoher Verantwortungsethik versehener Industrie nur sehr eingeschränkt Glauben schenken.

Apropos Glauben: Papst Franziskus bezeichnet das weltweite (kapitalistische) und wie ich hinzufüge: neben gewinnorientiert auch technisch angetriebene Wirtschaftssystem als „unerträglich“. Kann und soll man ihm glauben?

Michael Wilmes, Ralingen-Wintersdorf

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