Tierschutz Zack, Hoden ab!

Zum Artikel „Tierwohl hier, weitere Quälerei dort“ und zum Kommentar „Das Tierwohl, die Moral und der Markt“ (TV vom 9. November) schreiben Jana Schollmeier, Egon Sommer, Edgar Utschick, Andreas Lindig und Robert Goergen:

Einen großen Tag für das Tierwohl verkündet Bundesagrarministerin Julia Klöckner anlässlich der Tatsache, dass eine (!) Supermarktkette in Deutschland künftig auch (!) Eier aus Betrieben anbieten wird, die auf das Töten männlicher Küken verzichten. In allen weiteren Betrieben geht die Grausamkeit weiter, genauso wie bei der Ferkelkastration ohne Betäubung, für deren Fortsetzung sich Frau Klöckner einsetzt.

Offenkundig wird hier die völlige Ambitionslosigkeit von Frau Klöckner, Agrarwirtschaft und Tierwohl endlich zu vereinen und dafür zu  sorgen, dass wir Verbraucher nicht weiter macht- und ratlos vor dem Supermarktregal stehen. Als Verbraucher sind wir auf verbindliche und transparente Regelungen angewiesen, die uns eine bewusste Kaufentscheidung ermöglichen.

Ob Kükentöten, Ferkelkastration oder die Einführung eines aussagekräftigen Tierwohllabels – Frau Klöckner opfert den Tierschutz und die Interessen der Verbraucher, um den Forderungen der Agrarlobby zu entsprechen.

Es ist bezeichnend, dass inzwischen der Einzelhandel Motor der Veränderung ist – und nicht die Politik, die hier offenbar jeden echten Gestaltungsanspruch aufgegeben hat. Einmal mehr wird auch deutlich, dass Frau Klöckner nicht das meint und tut, was sie sagt.

Sie twittert, Tiere seien Mitgeschöpfe. Respekt vor diesen und ein ernsthaftes Engagement für anständige Lebensbedingungen unserer „Mitgeschöpfe“ lässt sie aber vermissen.

So bleibt der Satz eine hohle Phrase. Und die grausamen Praktiken bei der Produktion unserer Lebensmittel weiter bestehen.

Jana Schollmeier, Trier

Dem Trierischen Volksfreund sei es gedankt, dass mit dem Großbeitrag „Tierwohl hier, weitere Quälerei dort“ das Unvermögen der Bundesregierung und des Bundestages offengelegt wird.

In dem Artikel von Werner Kolhoff steht wohl alles drin, was man den Lesern in vornehmer Art und Weise zur Ferkelkastration und zum Kükentöten erklären kann. Wenn aber die deutsche  Agrarministerin Julia Klöckner den weiteren Aufschub der Ferkelkastration bis 2021 als „großen Tag für das Tierwohl in Deutschland“ preist, dann ist nicht nur seitens der Tierschützer Kampf angesagt, sondern bei den meisten Bürgern Unverständnis über das Geschwätz bei den oben genannten Institutionen programmiert.

Bereits 2013 hat die Bundesregierung mit Zielsetzung Ende 2018 das Ende der Ferkelkastration eingeläutet. Fünf Jahre Zeit, um schmerzfreie Ersatzmethoden einzuführen.

Die Schweinezüchterlobby war wiederum stärker. Für mich als Noch-Sozialdemokrat gilt die bittere Feststellung, dass auch die SPD als Großkoalitionär wiederum einknickt und durch ihren Sprecher, den Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch, in einem Interview des Deutschlandfunks in tiefer Verantwortung für das Tierwohl den Standpunkt seiner Partei zu rechtfertigen sucht.

Die Devise „auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“ ist bestimmt keine feingeistige Aussage; sie passt aber zu der Überschrift einer großen deutschen Illustrierten, die da lautet: Zack, Hoden ab! Eine Lösung, die zumindest bei den männlichen Abgeordneten im Deutschen Bundestag ihre Wirkung nicht verfehlen würde.

Egon Sommer, Tawern

Statt „Das ist ein großer Tag für das Tierwohl in Deutschland“ sollte Julia Klöckner zugestehen „Das ist ein Armutszeugnis und eine Blamage für die Landwirtschaftsministerin inklusive ihrer Groko“.

Die Zustände in der industriellen Massentierhaltung in Deutschland zeigen bereits über viele Jahre eine fürchterliche Entwicklung. Schreckliche Tierquälereien in allen Bereichen der Tierhaltung gehören zum ganz normalen Alltag. Wo bleibt hier die Überwachung durch die Institutionen auf Einhaltung unseres deutschen Tierschutzgesetzes, in dem es unter anderem heißt: Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen (§ 1 TierSchG, Grundsatz). Tierhalter haben dafür zu sorgen, dass das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend ernährt, gepflegt und untergebracht wird und sich artgemäß bewegen kann (§§ 2, 2a).

Ich würde gerne von Frau Klöckner den „vernünftigen Grund“ dafür erfahren, dass männliche Ferkel immer noch nach aktuellem Beschluss der Groko ohne Betäubung kastriert werden dürfen.

Seit fünf Jahren sind die Schweinebarone durch den Gesetzgeber aufgefordert, eine Lösung zur Beendigung dieser schrecklichen Zustände zu schaffen. Fünf Jahre lang ist nichts passiert, und wer glaubt, dass sich innerhalb der durch die Groko nun zugestandenen Verlängerungsfrist um zwei Jahre etwas ändert, wird die gleiche Enttäuschung erleben wie bei der dahinsiechenden Regierungsbearbeitung des Diesel-Skandals.

Was soll mich als kritischen Verbraucher dazu bewegen, noch einen Funken Vertrauen in die aktuellen Volksvertreter zu setzen?

Ich finde, es ist höchste Zeit für eine Wende hin zu einer ehrlichen, aufrichtigen Politik, die dem Wohle der Menschen und der Tiere gilt und nicht dem des Großkapitals (hier: die Tierindustrie).

Edgar Utschick, Trier

Es klingt nicht nur wie Hohn, es ist eine Unverschämtheit, wenn die Ministerin mehr Tierschutz verspricht und gleichzeitig ein Gesetz, das vor fünf Jahren beschlossen wurde, nicht umsetzen will. Die Regierungsparteien verraten mal wieder den Tierschutz. Die große Koalition stellt die wirtschaftlichen Interessen der Tiernutzer über das Staatsziel Tierschutz. Die Agrarlobby nutzt ihre Verbindungen in die Koalitionsfraktionen, um auf den letzten Metern noch eine Frist zu verlängern, die sie fünf Jahre lang schlicht ausgesessen hat. Für diese Untätigkeit bezahlen jetzt 40 Millionen Tiere mit Schmerzen und Leid. Nachdem der Bundesrat eine Fristverlängerung klar abgelehnt hatte, wollen Union und SPD die bereits 2013 beschlossene Beendigung der schmerzhaften Kastration von Ferkeln ohne Betäubung per Gesetz um zwei weitere Jahre verlängern. Die Pläne der Koalition sind verheerend für den Tierschutz und für das Vertrauen der Menschen in die Politik. Lange ausgehandelte und sogar gesetzlich fixierte Ausstiegsfristen werden von dieser Koalition nach Gutdünken aufgehoben, wenn die Wirtschaft ruft. Die Begründung, dass keine  Alternativen zur Verfügung stehen, ist eine Lüge. Es gibt Alternativen zur betäubungslosen Kastration, die Ebermast, die Immunokastration und die Kastration unter Vollnarkose. Diese werden bereits eingesetzt.

Dies ist nicht nur die Meinung der Tierschutzverbände, sondern unter anderem auch die der Bundestierärztekammer und der Tierärztlichen Vereinigung, die sich in ihren Pressemitteilungen gegen eine Verlängerung aussprechen. Selbstverständlich befürworten alle diejenigen die Verlängerung, die die Gesetzgeber fünf Jahre verschlafen haben und nun mit der Umsetzung in Bedrängnis geraten. Auch das ewige Argument des Wettbewerbsnachteils trifft nicht zu, da auch die Abschaffung der Käfighaltung, gegen die man sich ebenso vehement gewehrt hatte, nicht dazu geführt hat, dass es in Deutschland keine Legehennenbetriebe mehr gibt.

Andreas Lindig, Erster Vorsitzender Deutscher Tierschutzverein, Landesverband Rheinland-Pfalz e.V., Trier

Sehr geehrte Frau Klöckner, es ist ja schon mal gut, dass Sie etwas für die Hühnerküken machen. Aber warum muss das betäubungslose Kastrieren der Ferkel noch weiter gehen? Ihr „großer Tag für das Tierwohl in Deutschland!“ ist ein schlechter Witz. Stellen Sie sich mal vor, der Zahnarzt zieht Ihnen einen Zahn – natürlich ohne Betäubung. Und das jede Woche; damit Sie den Schmerz nicht vergessen. Und für das Nichtbetäuben bekommt der Zahnarzt viel Geld von der Krankenkasse, weil die sich so die Kosten für die Betäubungsspritze spart. Na, Frau Klöckner, wie wär’s? Hätten Sie Lust auf ein wöchentliches Zähneziehen ohne Betäubungsspritze?

Ein großer Tag für das Tierwohl in Deutschland wäre es, wenn Sie Ihr Amt als „Agrarministerin“ jemandem mit Kopf, Herz und Verstand übergeben würden.

Robert Goergen, Oberweis

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