Geschichte Zynisch

Geschichte

Zum Leserbrief von Herrn Franz-Josef Schmit (TV 27./28. Februar) schrieb uns Werner Marx-Zepp aus Wittlich:

Der Leserbrief ist zynisch. Ich frage mich, was den Autor dazu veranlasst hat, ihn in dieser Form und mit diesem Inhalt zu verfassen. Der Antisemitismus war schon lange vor 1933 in der damaligen Gesellschaft verbreitet. Dennoch fühlten sich die Juden seinerzeit noch recht sicher in ihrer Heimat. Nach dem Regierungswechsel 1933 verschärfte sich Situation für fast alle Juden erheblich. Ja, formell konnten die deutschen Juden noch eine Weile nach 1933 über ihr Eigentum verfügen. Aber inwiefern waren diese Verfügungen noch frei? Nach dem Boykott am 1.4.1933 und den Berufsverboten ab dem 7.4.1933.

Offenbar sind dem Autor sowohl die Verkäuferfamilien Bär und Marcks als auch die Käuferfamilie Möhn gut bekannt – er wusste sogar, dass die Familie Möhn 2500 D-Mark auf den damaligen Kaufpreis nachschießen musste. Der nach dem Leserbrief gemäß der Aussage der Verkäufer ein „...anständiger Preis...“ war. Von welchem Niveau aus sich dieser Preis nach vier Jahren Judenverfolgung zu dem letztlich vereinbarten entwickelt hat, weiß ich nicht, aber sicher ist er nicht angestiegen.

Diese 2500 D-Mark waren aber nicht bloß 1278,22 Euro. Inflationsbereinigt wären das heute eher 6500 Euro (oder 12 700 DM). Ein Trostpflaster für den ungewollten Verlust des Eigentums, das sicher für Generationen als sichere Wohn- und Gewerbeimmobilie der beiden jüdischen Familien gedacht war.

Und es war ja auch nicht so, dass die vielen Juden, die in den 1930er Jahren plötzlich eine neue Heimat im Ausland suchten, dort mit offenen Armen und guten Verdienstmöglichkeiten empfangen wurden.

Der „angemessene“ Kaufpreis für die Immobilie ist unter diesen Umständen sicher sehr schnell dahingeschwunden.

Ganz unter die Räder kommt hier eigentlich die Geschichte, die Frau Möhn erzählen wollte und die von Frau Kessler zu einer naiven und rührseligen Anekdote gemacht wurde.

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