Ich kann die ganze Aufregung um das Sommerloch-Thema "Dienstwagen-Affäre" von Ministerin Schmidt nicht nachvollziehen, denn letztlich hat sie sich durch den Einsatz ihres Dienstwagens im Urlaub politisch und rechtlich korrekt verhalten, was ihr sogar der Bundesrechnungshof bestätigt hat.

Doch es ist Bundestagswahlkampf und der eine oder andere Unions- und Oppositionspolitiker schwingt vorsorglich die Moral-Keule, darauf hoffend, dass die eigenen Leichen im Keller möglichst unentdeckt bleiben.

Dabei kann man es ihnen noch nicht einmal übelnehmen: Das Thema wurde in sämtlichen Medien dermaßen aufgebauscht, dass ein womöglich fehlender Fingerzeig der Opposition auf die böse Ulla mit der Tolerierung ihres so verwerflichen Verhaltens gleichgesetzt würde. Auch Pharma- und Ärzte-Verbände reiben sich die Hände, vermögen doch spanische Autodiebe möglicherweise das zu schaffen, was der eigenen Lobby über Jahre hinweg nicht gelungen ist, nämlich Ulla Schmidt loszuwerden.

Die Posse um die Nominierung in Frank-Walter Steinmeiers Wahlkampfteam zeigt, dass in unserer Gesellschaft die mediale Momentaufnahme wichtiger scheint als die politischen Verdienste. Das deutsche Gesundheitswesen war spätestens seit der Wiedervereinigung reformbedürftig. Nach zögerlichen Versuchen durch den ehemaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer packte die Regierung Schröder das Projekt endlich an, was aber nur - und das vergisst man gerne - durch die Zustimmung des CDU/CSU-dominierten Bundesrats überhaupt möglich war.

Weswegen ich Karl-Josef Ames' Aussage in seinem Leserbrief, Frau Schmidt habe uns die Praxisgebühr beschert, nicht nachvollziehen kann. Die Praxisgebühr hat nämlich die Union gegen den Widerstand der SPD ins Gesetz schreiben lassen. Die gesamte "Affäre" zeigt daher trefflich den Zustand von Medien und Politik in der Bundesrepublik: Wer muss schon über politische Inhalte sprechen, wenn einer Ministerin im Urlaub der Dienstwagen geklaut wird?

Tim Roth, Trier

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