Katholische Kirche Zutiefst unchristlich

Zu den Artikeln „Bistum Trier: Offene Rebellion gegen Rom“ (TV vom 17. März) und „Viel Beifall für Trierer Kirchenrebellion“ (TV vom 28. März) schreiben Eberhard Speicher, Gilla Schommer, Frank Weiland und Altfried G. Rempe:

An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen! (1. Johannes 2,1-6)

Ich bin Christ und Katholik. Der Vatikan macht es mir und meinem Glauben jedoch zunehmend schwer, mich weiterhin zur katholischen Kirche zu bekennen.

Mit der Botschaft Christi ist weder der systematisch heuchlerisch-vertuschende Umgang mit dem sexuellen Missbrauch durch Geistliche noch die diskriminierende Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Paare zu vereinbaren. Letzteren darf nach päpstlicher Weisung nicht einmal ein Segen gespendet werden, wohingegen Tiere und Sachen (wie etwa Fahrzeuge und Häuser) segenswert erscheinen. Es ist ein Widerspruch, wenn die katholische Kirche von Wertschätzung und Nichtdiskriminierung spricht, gleichzeitig aber stabile gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgrenzt. Dies ist nicht nur unmenschlich und ungerecht, sondern auch unchristlich. Dass der Vatikan sein rückwärtsgewandtes Segnungsverbot in nahezu mittelalterlicher Weise mit dem „Willen Gottes“ begründen will, schlägt dem Fass den Boden aus.

Hätte ich nicht gelesen, dass der Trierer Generalvikar Graf von Plettenberg und der Limburger Bischof Bätzing das zutiefst unchristliche Ansinnen der Glaubenskongregation deutlich kritisieren, wäre ich als Christ sofort aus der katholischen Kirche ausgetreten. Doch kritische Worte gegenüber dem Vatikan reichen nicht. Die deutschen Bischöfe und katholischen Priester müssen jetzt durch konkrete Taten zeigen, dass auch gleichgeschlechtliche Beziehungen, wenn sie von gegenseitiger Verantwortung getragen und auf Dauer angelegt sind, vorbehaltlos respektiert und akzeptiert werden. So könnten die Bischöfe etwa in einem Hirtenbrief zum Ausdruck bringen, dass die Lebensrealität und Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare als Teil offizieller kirchlicher Praxis anerkannt werden. Denn schließlich heißt es doch: An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen! (1. Johannes 2,1-6).

Eberhard Speicher, Schweich

Ich bin entsetzt und zutiefst enttäuscht über den Vatikan, Schwulen und Lesben den Segen zu verweigern. Wir leben im dritten Jahrtausend, und überall heißt es, man soll niemanden diskriminieren! Wie bitte ist das zu nennen, was der Vatikan sich herausnimmt?

Gilla Schommer, Welschbillig

Der Vatikan ist eine bereits vor 1700 Jahren „steckengebliebene Altherrenriege“, die kräftig abgebogen ist vom Weg des Mystikers Jesus. Eine der Folgen davon ist die Sexuallehre der Kirche, die sich folgendes anmaßt: „Segnungen menschlicher Beziehungen seien nur möglich, wenn damit den Plänen Gottes gedient sei.“ Kennen Sie die etwa? Nein, denn die sind damals aufgegeben und verraten worden. Dem sektiererischen Bischof Athanasius war die Vielfalt und Toleranz der Wahrheitssuche ein Dorn im Auge, da damit kein Machtsystem aufzubauen war. Er zwang die frühen Christen in die einheitliche, „katholische“ Denkweise hinein, in das Dogma der „rechtgläubigen“ Gültigkeit. Der eigene, innere Glaube war damit tot. Und alle heutigen „Christen“ kennen ausschließlich die damals verfälschten Bibellehren. Doch was wurde uns gestohlen? Ursprünglich gab es 24 Evangelien mit vielfältigen Aussagen über den Kosmos und die von Jesus begonnene spirituelle Weltsicht der Ganzheit, aus der die Bewegung der Gnosis wurde. Dazu gehörte auch der Theologe Origenes, der wie alle Gnostiker um die Vorexistenz der Seelen (Wiedergeburt) wusste, wie sie auch die Grundlage der Apostel war. Damit sind wir beim Kern der Sache. Die Wiedergeburt, die Jesus im verbotenen Thomas-Evangelium ansprach, dient ja dazu, dass man aufeinander aufbauende Erfahrungen macht und Entscheidungen trifft, deren Folgen man im nächsten Leben selbst erleben muss. Das ist der Weg der Reifung der Seele. Eine der Folgen ist, dass die natürliche Sexualneigung sich verschiebt oder man sich im Extremfall im falschen Körper fühlt. Dazu gehört gerade „die gesellschaftliche Diskriminierung oder gar Verfolgung“, wie Minderheiten sie immer und überall erleben. Das ist das Lebensprogramm einer solchen Seele, das es zu bearbeiten gilt.

Hätte die Kirche nicht ihre Gottesverbindung weggeworfen und verraten, wüsste sie, dass (nur deshalb) „Verbindungen homosexueller Paare dem göttlichen Willen entsprechen“, und dass es ihre Aufgabe gewesen wäre, sie „anzunehmen, sie zu begleiten und ihnen Wege des Glaubenswachstums anzubieten“ und eben in diesem Sinne ausdrücklich zu segnen.

Frank Weiland, Forum Spirituale, Trier

Responsum ad dubium – eine zweifelhafte „Antwort“ aus Rom:

1. Wir begrüßen ausdrücklich die Stellungnahme von Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg; wir schätzen es sehr, dass er ausdrücklich an der von Bischof Stephan Ackermann approbierten Abschlusserklärung der Bistumssynode auch gegen die römische „Klarstellung“ festhält. Dort heißt es: „Die Kirche von Trier geht respektvoll und wertschätzend mit Menschen in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften um.“ Wir stehen gemeinsam mit Bischof und Generalvikar selbstverständlich hinter dem Beschluss der Synode, der für die Kirche im Bistum Trier verbindlich ist.

2. Es widerspricht einem respektvollen und wertschätzenden Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren, dass ihnen der Segen nicht offiziell zugesagt werden kann, weil die römische Kirche es verbietet. Wir begrüßen, dass Generalvikar von Plettenberg diesem Verbot nicht folgen wird.

3. Sexualität und damit auch Homosexualität ist ein wesentlicher Teil der Identität von Menschen, keine „Tendenz“ oder auch „Neigung“. Diese Begrifflichkeiten verletzen, auch die Tatsache, dass Homosexualität auf „sexuelle Praxis“ reduziert wird, diskriminiert .

Wir wünschen uns, dass sich auch die Bischöfe klar positionieren und die Entwicklung, die mit dem Synodalen Weg begonnen wurde, konsequent weitergeführt wird. Wer Gottes Segen für sich und sein Leben erbittet, hat das Recht, diesen Segen zugesagt zu bekommen. Niemand hat das Recht, diesen Segen zu verweigern. Wir stimmen der Trierer Synode zu, die in ihrem Abschlussdokument Liebe, Treue, Würde, Verlässlichkeit, Verantwortungsbereitschaft, Vergebung und Versöhnung als Zeichen der Liebe Gottes in den Formen menschlichen Zusammenlebens beschreibt.

Altfried G. Rempe, Trier, Berufsverband der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im Bistum Trier

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