Katholische Kirche Zwei Sorten von Opfern?

Zur Berichterstattung über Missbrauch und zur Diskussion über die Entschädigung der Opfer (TV vom 27., 29. und 31. Januar) schreiben Dr. Harald Reusch, Lothar Scherl und Ernst Marx:

Seit 42 Jahren bin ich jetzt Kirchensteuerzahler und hatte bislang noch nicht vor, mit einem Austritt aus der Kirche diese Zahlungen künftig einzustellen, da bei mir bisher die positiven Aspekte der katholischen Kirche immer überwogen haben.  Dies ist nicht anders, wenn ich den Umgang der katholischen Kirche mit mancher Thematik (zum Beispiel Verhinderung von Frauen in Priesterämtern, miserabler Umgang mit Geschiedenen in der Kirche oder das Festhalten am mittelalterlichen Zölibat) oft nur unter heftigen „Bauchschmerzen“ gerade so ertrage.

Die Art der Aufarbeitung (seit zehn Jahren!) von Missbrauch durch Priester allerdings bereitet mir da mittlerweile bereits heftigere „Koliken“. Der Umgang mit aktuellen Verdachtsfällen sollte ja schon mal überhaupt keine Frage offen lassen. Wir haben eine Justiz, die nicht erst eine „Wahrheitskommission zur Missbrauchsaufarbeitung“ einrichten muss.

Daher gehört selbstverständlich jeder nicht verjährte Verdacht vom Staatsanwalt überprüft und gegebenenfalls vor Gericht geklärt. Was allerdings alle älteren Fälle angeht, die leider wegen der Verjährungsfrist der weltlichen Justiz entgehen, wäre es ziemlich ratsam und hilfreich, wenn die Kirche bei ihrer möglichen Aufklärung ganz einfach die Standards der Aufklärung unserer Justiz zugrunde legt. Ich frage mich allerdings, warum das bisher zehn Jahre dauert. Die Diskussion um die Entschädigungsfrage verstärkt allerdings die ohnehin bestehenden „Koliken“ bei mir noch weiter. Selbstverständlich sind Zahlungen von Schmerzensgeldern angezeigt und wo nötig erforderliche Therapien von der Kirche zu finanzieren.

Wie hoch der Preis einer Narbe in der Seele oder sogar einer komplett zerstörten Seele ist, darüber muss man natürlich reden und – wie ich meine – individuell entscheiden. Das allerdings wollte ich hier nicht diskutieren.

Wo aber im TV-Artikel „Finden Bischöfe einen Nenner?“ erwähnt wird, dass Bischof Ackermann keine Alternative sieht, zumindest einen Teil der Opferentschädigung aus der Kirchensteuer zu zahlen, kommt meine Toleranz zum Ende.

Sollte es tatsächlich zu entsprechenden Zahlungen aus der Kirchensteuer kommen, sind meine „Bauchbeschwerden“ nicht mehr mit einfachen Mitteln auszuhalten. In diesem Fall wäre wahrscheinlich eine „Operation“ angezeigt, und die hieße dann Kirchenaustritt. Wenn Mathias Katsch, der Sprecher der Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“, meint, es brauche „eine solidarische Anstrengung der gesamten Kirche in Deutschland“, um Opfer bald zu entschädigen, gebe ich ihm recht.

Wenn dies aber mit Zahlungen aus Kirchensteuern geschehen soll, ist das sehr zynisch. Diese Gelder sind eigentlich für die vielfältigen Aufgaben der Kirche vorgesehen. Ich möchte nicht, dass meine Kirchensteuern zum „Ausgleich“ von Schäden verwendet werden, die durch kriminelle Tätigkeiten katholischer Priester entstanden sind.

Hier muss sich die Kirche aus all ihren anderen finanziellen Ressourcen bedienen, auch wenn es wehtut. Nicht vergessen werden darf bei der ganzen Aufarbeitung des Missbrauchs, dass das Strafmaß für die Verursacher transparent gemacht wird, auch das ist man den Opfern schuldig.

Dr. Harald Reusch, Trier

Anm. d. Red.: Ulrich Graf von Plettenberg, der Generalvikar des Bistums Trier, hat am 30. Januar erklärt, dass die Entschädigung der Missbrauchsopfer nicht aus der Kirchensteuer kommen soll.

Wenn die Deutsche Bischofskonferenz demnächst eine Neuregelung der Entschädigungszahlungen beschließt, werden wir danach also zwei Arten von Opfern sexueller Gewalt haben: solche, die eine Entschädigungszahlung erhalten und solche ohne Entschädigung. Wenn der Täter ein katholischer Priester war, wird gezahlt; wenn die Tat auf dem Campingplatz von Lügde war oder beim Turnverein oder im Schwimmbad oder wenn der Täter der gute Freund der Familie war, gehen die Opfer leer aus!

Wäre es nicht die Aufgabe des Beauftragten der Bundesregierung, eine Regelung zu erarbeiten, die auf alle Opfer sexueller Gewalt zutrifft, nicht nur auf die „katholischen“? Müsste nicht Johannes-Wilhelm Rörig als der Beauftragte der Bundesregierung sich für alle gleichermaßen stark machen? Wie will man einer Gesellschaft erklären, dass hier eine gemeinsame Erklärung des Bundesbeauftragten zusammen mit Bischof Stephan Ackermann in Arbeit ist, bei der ein ganz erheblicher Anteil an Opfern sexueller Gewalthandlungen außen vor bleiben? Oder glaubt irgendwer, dass es zwei Sorten von Opfern gibt?

Lothar Scherl, Wittlich

Kann man den Missbrauch an den uns anvertrauten Kindern und Jugendlichen mit Geld aus der Welt schaffen? Ist es nicht beschämend, wie hier mit den Seelen von Schutzbefohlenen umgegangen wurde, und das in kirchlichen Einrichtungen? Es geht doch nicht um einen materiellen Schaden, den ich elegant auf finanzieller Basis einfach mal so begleiche. Wer von uns hat schon einmal Ursachenforschung für dieses menschliche Versagen betrieben? Ist es nicht vielmehr der Abfall vom christlichen Glauben, der hier sichtbar wird? Anders bei den ersten Christen. Paulus wandte sich seinerzeit, nachdem ein Vorkommnis bekannt wurde, mit folgenden Worten an die Gemeinde Gottes in Korinth: „Schließt den, der Böses tut, aus eurer Gemeinschaft aus!“ (1.Korinther 5,13).

Wer schließt heute wen aus? Müsste nicht die Mitwisserschaft in einem Missbrauchsfall genauso geahndet und zum Ausschluss aus der Gemeinde (Kirche) führen, wie es der Umgang mit dem Täter erfordert? Wenn schon in kirchlichen Kreisen von umfassender Auf­arbeitung von Sexualverbrechen die Rede ist, dann bitte im Lichte von Gottes Wort, der Bibel.

Wie ernst nehmen wir denn heute im Rahmen religiöser Vielfalt noch das Wort Gottes, die Heilige Schrift? Der Begriff „Sünde“ ist doch praktisch zum Fremdwort geworden. Aus Gottes Sicht ist zum Beispiel außerehelicher Geschlechtsverkehr vor Gott Unzucht oder Homosexualität (Römer 1,18-32) verwerflich, andererseits aber vom Staat legalisiert worden. Was früher verboten war, ist heute erlaubt!?

Doch Gott und sein Wort ändern sich nicht: „Muss ich euch daran erinnern, dass die, die Unrecht tun, keinen Anteil am Reich Gottes bekommen werden, dem Erbe, das Gott für uns bereithält? Macht euch nichts vor: Keiner, der ein unmoralisches Leben führt, Götzen anbetet, die Ehe bricht, homosexuelle Beziehungen eingeht, stiehlt, geldgierig ist, trinkt, Verleumdungen verbreitet oder andere beraubt, wird an Gottes Reich teilhaben“ (1. Korinther 6,9-10).

Nach Aussage von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, kann Gott uns nur dann unsere Schuld vergeben, wenn auch wir bereit sind, dem zu vergeben, der uns missbrauchte, in welcher Form auch immer (Matthäus 6,14-15). So ist auch die Gesundheit der Seele nur durch den Heiland der Seele, Jesus Christus, wiederherzustellen!

Nur der Gehorsam gegenüber ihm und der Heiligen Schrift macht uns zu „neuen Menschen“ (2. Korinther 5,17). Und nur so wird jede Form von körperlicher und seelischer Verletzung geheilt.

Ernst Marx, Gemeinde Christi, Trier

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