Gesundheit Lieber Schulträger – Worauf warten Sie?
Zu den Corona-Maßnahmen in den Schulen und unserer Pandemie-Berichterstattung schreibt Viktoria Karls, Schülerin der 12. Klasse des Max-Planck-Gymnasiums Trier:
Maske auf! ,Lüften!, Abstand halten! – Das sind anscheinend die neuen Gebote einer ganzen Schülergeneration. Die größten Sorgen in Pre-Corona-Zeiten waren der Lehrermangel, die zunehmende Gewalt an Schulen und das Fehlen von finanziellen Mitteln zur Sanierung der Toiletten.
All das hat Corona geschafft, erfolgreich zu verdrängen. Heute kämpft jede Schule um jeden Tag Präsenzunterricht, um jeden Abiturjahrgang. Natürlich: Der Lehrermangel ist ein ernstzunehmendes Problem, doch dabei hat niemand den Erhalt des Unterrichts infrage gestellt. Die Fragen, die nun wichtig werden: Wie viel hält unser Bildungssystem an Veränderungen der Kernstrukturen aus? Sind wir bereit, einen Schulalltag ohne Fortbestandsgarantie zu bewältigen? Und wie sehr beeinflusst das die Schüler hinsichtlich ihres Abschlusses und den Lerninhalten?
Deutschland als Vorreiter in Sachen flexibles Bildungssystem dürfte in ihren Gesichtern ein Lächeln auslösen. Corona verbessert die Situation nicht. Statt ein wirklich durchdachtes Hygienekonzept an Schulen einzuführen, wird jede Schule mit simplen Regeln wie Masken und Abstand abgespeist. Standardklausel.
Die Schule ist kein Ort, an dem man halbherzig die allgemeinen Hygieneregeln beachten kann und dann denkt, es läuft alles so wie vorher. Nein, Schule ist ein eigenständiges System, Schule ist komplex, und genau so muss auch das Konzept angepasst werden. Gut durchdacht und erfolgversprechend.
Man könnte fast meinen, das rheinland-pfälzische Bildungsministerium gibt sich mehr Mühe beim Prüfen der Abi-Arbeiten, als mit einem Konzept zur besseren Bildung im Schatten von Corona. Das Schulsystem versagt kolossal mit diesem Konzept. Maske tragen und Abstand halten können keine Dauerlösungen sein.
Während ich dies schreibe, befinde ich mich im Oberstufenraum, natürlich mit Maske. Noch sind nur Schüler hier, doch schon bald werden Lehrkräfte zur Kontrolle der Einhaltung aller Vorschriften eingesetzt. Die Stimmung hier im Raum: eisig und zunehmend ertönen Rufe nach einer erneuten Schließung. Schule zu, ab nach Hause und ab vor den Rechner erscheint wirklich sinnvoller, als das zwanghafte Schönreden und Aufrechterhalten eines Präsenzunterrichts, von dem weder Schüler noch Lehrer in irgendeiner Hinsicht profitieren. Corona verdeutlicht nicht nur Schwächen dieses Hygienekonzepts, sondern zeigt vielmehr, wie viele Schulen von einem akuten Investitionsrückstand betroffen sind.
Die Masken wären nicht nötig, sofern jeder die 1,5 Meter Abstand halten könnte. Doch dafür fehlen die Räume und die Ausrüstung. Corona zeigt, wie sehr die Politik geschlafen hat, ausreichend in die Ausstattung von Schulen zu investieren.
Entweder unsere Gesundheit geht vor oder die schulische Ausbildung. Beides ist ohne ein durchdachtes Konzept nicht zu vereinen. Schule darf nicht zwanghaft von außen aufrechterhalten werden, das Schulsystem muss und momentan tut es das nicht.
Zum gleichen Thema schreibt Wiebke Linnert, Vorsitzende des Schulelternbeirats am Max-Planck-Gymnasium Trier:
Es liest sich toll: „Die Landesregierung stellt ein Förderprogramm mit bis zu sechs Millionen Euro auf, mit dem Schulträger mobile Luftreinigungsgeräte für Schulen anschaffen können.“
„Super“, denkt der Leser – und Wähler – „dann kann mein Kind sicher in die Schule gehen. Die Verantwortlichen werden sich darauf stürzen, um die ersten zu sein, die von den Geldern profitieren.“
Wie würde ich mir das in der Theorie vorstellen? Ich hätte erwartet, dass der Schulträger umgehend einen Rundruf in seinen Schulleitungen startet, im Sinne von „es ist Geld da für Lüftungsgeräte – wie viele braucht Ihre Schule, um sicher und gut über den Winter zu kommen?“
Weit gefehlt. Zumindest in Trier. Die traurige Praxis sieht so aus: Die Schulleitung wendet sich nach der Pressemitteilung an die Stadt bzw. das Amt für Schulen und Sport als Schulträger und meldet Bedarf für eine Anzahl an Lüftungsgeräten an. Die traurige Antwort ist (sinngemäß): „Ich bin nicht der richtige Adressat, aber bestätige den Eingang Ihrer Mail. Die Stadt Trier wird sich kümmern und Ihnen Rückmeldung geben.“ Der Vorschlag der Schulleitung, die Geräte schnell selbst zu beschaffen und die Rechnung einzureichen, um so Zeit und Aufwand für den Träger einzusparen, wird abgelehnt; dies „ist nicht möglich“. So geschehen am 29. Oktober. Dann: nichts mehr.
Angesichts steigender Infektionszahlen und der täglichen Großveranstaltung „Schule“ könnte man annehmen, dass schnelles Handeln angesagt ist. Am 3. November erneute Anfrage, wer denn nun zuständig sei – keine Antwort.
So wird mit uns umgegangen! So sitzen die Prioritäten! Wie definiert sich denn „sofort“ in dem Wort „Soforthilfe“? Wir gehen fest davon aus, dass etliche Kommunen das Wörtchen „sofort“ als solches verstehen und sich auch sofort um die Beschaffung kümmern. Für Trier ist bei derzeitigem Tempo und nach bisheriger Erfahrung damit zu rechnen, dass dann keine Luftreinigungsgeräte mehr zu haben sind, bei aktuell hoher Nachfrage und einem endlichen Angebot.
Vielleicht würden wir ja noch die Unschuldsvermutung gelten lassen – wenn wir das gleiche Verschleppen nicht schon einmal erlebt hätten!
24,1 Millionen Euro stehen in Rheinland-Pfalz bereit für die Sofortausstattung mit digitalen Endgeräten für Schüler – zusätzlich! zum Digitalpakt Schule. Das ist seit dem 20. Juli bekannt. Man könnte meinen, dass „sofort“ nach drei Monaten längst erreicht ist – aber auch hier weit gefehlt! Von „sofort“ ist nichts zu merken, die Bedarfsabfrage in der Schule hat Ende August stattgefunden. Die Schule weiß, was sie braucht, die Schule kennt die Schüler*innen, die keine digitalen Medien zu Hause haben.
Jetzt müssen die finanziellen Mittel noch im Stadtrat bewilligt werden, damit der Schulträger anfangen kann zu bestellen. Doch zur Abstimmung kommt es nicht, weil über andere Themen zu lange diskutiert wird. Der Schulträger hat im Sommer nicht einmal ein Konzept vorgelegt, nach dem diese Geräte zu beantragen und zu verteilen sind. Die frühste Auslieferung wird im Februar 2021 sein. Ist das „sofort“? Wann werden wir „sofort“ erleben? Nach Einführung der Impfung? Wenn wir wieder aus einem potenziellen Homeschooling-Szenario zurückgekehrt sind und etliche Kinder endgültig den Anschluss verloren haben? Oder erst, wenn unsere Kinder die Schule bereits verlassen haben?
Lieber Schulträger der städtischen Schulen in Trier: Worauf warten Sie?