Mein Soli, dein Soli

Wir wissen ja nicht, wer uns 2020 - also mehr als zwei Jahre nach der nächsten Bundestagswahl - regieren wird: wieder die GroKo, Rot-Rot-Grün, Schwarz-Grün, oder ob da noch ganz andere Farbenspiele eine Rolle spielen könnten. Fest steht seit dieser Woche, dass Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer den Solidaritätszuschlag, der eigentlich 2019 ausläuft, noch einmal bis 2030 verlängern und dabei langsam abschmelzen wollen.

Die SPD und die Länderchefs - quer durch alle Farben - setzen dagegen darauf, die ursprünglich für den Aufbau Ost erhobene Gebühr der Einkommenssteuer zuzuschlagen und statt einer Abgabe eben eine Steuer zu kassieren. Dann könnten von dem Geld, anders als heute, wo nur der Bund die Hand darauf hat, auch alle Länder und Kommunen profitieren. Gegen die Merkel-Seehofer-Variante gibt es erste verfassungsrechtliche Bedenken, eben weil der Soli als befristete Maßnahme geplant war. In Wahrheit wurde der Zuschlag aber sowieso nur zum Teil für die Kosten der deutschen Einheit eingesetzt und floss auch in andere Bundesprojekte. Wird er abgebaut, fehlt das Geld. Woher es kommen soll, oder ob es vielleicht doch noch kreativere Möglichkeiten der Finanzplanung gibt, darauf fehlt bisher die Antwort. Der besonders von der SPD favorisierte Weg bedeutete dagegen eine Steuererhöhung. Die würde nur nicht so deutlich spürbar, weil die Bürger ja all die Jahre ohnehin gezahlt haben und es egal ist, ob das Kind nun Soli oder Steuer heißt. Richtig ist, dass es einen gewaltigen Investitionsstau gibt. Im europäischen Vergleich hat Deutschland in den letzten Jahren besonders wenig in seine Infrastruktur investiert. Kaputte Brücken und Straßen, marode Schulen und Hallen, geschlossene Schwimmbäder. Da bieten auch Stadt und Region Trier besten Anschauungsunterricht. Strukturschwache Gebiete liegen nicht nur im Osten der Republik. Darauf weist der Städte- und Gemeindebund seit langem gebetsmühlenhaft hin. Zudem drückt die Schuldenbremse. Alles gute Gründe dafür, diese zusätzliche Einnahmequelle nicht versiegen zu lassen. Und doch ist es bemerkenswert, wie selbstverständlich in der Politik mit Geld jongliert wird, das seine Bürger einmal für eine ganz konkrete, aber doch nicht auf ewig angelegte Gemeinschaftsaufgabe zu zahlen bereit waren.Isabell Funk
Chefredakteurin

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