Mensch ... David Cameron

Bis jetzt dachte ich, Sie seien als britischer Premierminister der Regierungschef einer grundsoliden, sattelfesten Demokratie. Nach dem, was man seit Dienstag aus Ihrem Land hört, fungieren Sie eher als Grüßaugust einer Bananenrepublik.

Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was der Chefredakteur der angesehenen Zeitung Guardian schreibt, dann steht es um die Pressefreiheit im Vereinigten Königreich etwa so gut wie um die Rechte der Lesben und Schwulen in Putinistan.

Da sollen hochkarätige Mitarbeiter Ihrer Regierung die Redaktion massiv unter Druck gesetzt haben, das Datenmaterial von Enthüller Snowden an den Staat auszuhändigen. Als die Zeitung das verweigerte, sollen Mitarbeiter des britischen Geheimdiensts ins Verlagshaus gekommen sein und dafür gesorgt haben, dass die entsprechenden Computer-Festplatten im Keller unter Aufsicht in kleine Stücke geschreddert wurden. Da kriegt der Begriff "Hacker" gleich eine ganz neue Bedeutung.

Offensichtlich war das noch nicht genug der Einschüchterung: Der Partner eines Guardian-Redakteurs, der viele Snowden-Enthüllungen veröffentlicht hatte, wurde am Flughafen unter Berufung auf ein Anti-Terrorgesetz mehr als neun Stunden festgehalten und von Sicherheitsagenten verhört. Ja, wo sind wir denn? Sachbeschädigung, Nötigung und Sippenhaftung als Fortsetzung der Politik mit verschärften Mitteln?

Dass in Italien Gaukler und Gauner regieren, dass in Ungarn Leute an der Macht sind, die Demokratie nicht buchstabieren können: Daran haben wir uns ja schon fast gewöhnt. Aber wenn jetzt auch noch unsere werten englischen Freunde anfangen, mit elementaren Grundrechten umzugehen wie die Axt im Walde, was soll denn dann aus unserem guten alten Europa werden? Dieser großartigen Wiege der christlich-abendländischen Kultur, wie es in Sonntagsreden so gerne beschworen wird.

Und was kommt als Nächstes, Mr. Cameron? Klein-Guantánamo auf den Shetland-Inseln? Präventiver Abschuss von Passagiermaschinen, in denen Whistleblower vermutet werden? Da bleibt eigentlich nur die Hoffnung, dass Ihre Secret-Service-Leute weiterhin so dämlich sind, daran zu glauben, dass mit dem Vernichten eines Computers auch die darauf gespeicherten Informationen ausgeschaltet werden könnten. Und ich freue mich auf den Tag, wenn die Guardian-Kollegen die Sicherheitskopien auspacken. Dieter Lintz

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