Mensch ... Siegfried K.

Eigentlich dachte ich ja am Montagabend nach dem Fußball-Länderspiel, ich hätte das dümmste Eigentor der Woche gesehen. Ein Torwart, der sich den Ball ins eigene Netz stolpert, das ist ja kaum zu überbieten.

Aber dann kamen Sie und stolperten als Schöffe durch den Berliner Prozess gegen die Alexanderplatz-Totprügler, bis das ganze Verfahren platzte und die mutmaßlichen Schläger bis auf weiteres als freie Männer nach Hause gehen durften.

Dabei haben Sie es ja nur gut gemeint. Ihnen ist einfach der Kragen geplatzt angesichts der ganzen Gaukelei, der plötzlichen Gedächtnislücken bei wichtigen Zeugen, dem Hin- und Hergeschiebe der Verantwortung. Man kann\'s verstehen.

Aber Schöffen sitzen im Gericht nun mal als Vertreter des Volkes und nicht des Stammtischs, und Ihr Job ist es, bis zum Urteil neutral zu bleiben, Für und Wider abzuwägen und schließlich mit kühlem Kopf zu entscheiden. Wenn man jemandem sagt, er sei wohl zu feige, die Wahrheit zu sagen oder wolle sein Gegenüber verarschen, dann ist das sicher der passende Umgangston für die Jugendeinrichtung in Tempelhof, die Sie leiten. Aber nicht unbedingt für einen verantwortungsvollen Laienrichter in einem ziemlich sensiblen Prozess am Landgericht.

Dass Sie dann auch noch so naiv waren, mit einem Boulevardblatt zu sprechen, dabei über die "motzenden" Verteidiger herzuziehen und Interna von der Richterbank auszuplaudern, ist mit "Eigentor" fast schon zu freundlich beschrieben.

Dass die Zeitungskollegen Ihre Ahnungslosigkeit ausnutzten, Sie als "Berlins mutigster Schöffe" verkaufsträchtig aufs Titelblatt hoben und dabei sehenden Auges das Platzen des Prozesses in Kauf nahmen, schließt sie in den nächsten Jahren von der Fair-Play-Wertung aus. Und dass der Vorsitzende Richter keinen Ersatz-Schöffen nominiert hat, wäre allemal einen Zwangsabstieg in die Amtsrichter-Liga wert. Dieter Lintz

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