Moderne Zeiten

Trier · Es gab einmal eine Methode. Die hieß Kommunikation. Heute ist sie total veraltet. Nur noch wenige erinnern sich daran.

Das ging damals so. Einer sagte was, ein anderer oder mehrere hörten zu und dachten darüber nach. Dann umgekehrt. Der andere sagte was, der eine hörte zu ... und so weiter.

Auf diese - zugegeben - sehr langatmige und mühsame Prozedur war man früher ziemlich stolz. Sie wurde unter anderem angewandt, um Streit zu schlichten. Wer ernsthaft kommunizierte, redete auch gerne von Respekt. Noch so ein Relikt aus der Vergangenheit. Gemeint war, dass man nicht immer einer Meinung sein muss und trotzdem Achtung voreinander haben kann. Drollig, um nicht zu sagen lächerlich.

Die Zeiten sind doch so herrlich hysterisch. Jeder hat recht und erst recht das Recht zu sagen, was er will. Nur schön beleidigend sollte es sein. Am meisten fetzt, was unter die Gürtellinie geht. Besonders gut kommen Vorwürfe und Unterstellungen. Etwa die: Alle Flüchtlinge sind Terroristen und Vergewaltiger, mindestens aber Schmarotzer. Oder die: Alle, die sich wegen der vielen Flüchtlinge Sorgen machen, sind Nazis. Pauschalierungen machen einfach den größten Spaß und sind ein herrlicher Zeitvertreib. Er kostet nichts, und jeder kann ihm ungeachtet seiner geistigen Potenz nachgehen. Differenzierungen verkomplizieren nur.

Ganz hohe Kunst ist es dagegen, jemandem das Wort im Munde umzudrehen. Dafür müsste man aber tatsächlich wenigstens ein bisschen zugehört haben. Vorsicht, nicht allzu genau. Sonst funktioniert das nicht.

Völlig old fashioned wiederum sind Begründungen. Sie sind zeitraubend, hindern einen daran, sich frei zu entfalten und könnten im schlimmsten Fall dazu führen, verstanden zu werden. Also, der inneren Hygiene wegen: sofort ausspucken, was einem auf der Zunge liegt, bevor es zum Hirn vorgedrungen ist. So läuft das heute. Schnell war gestern. Vorschnell ist hip.

Und Sie haben tatsächlich bis hierhin durchgehalten? Sind Sie altmodisch.

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