Nordrhein-Westfalen und seine Farbenspiele

Es gehört schon zum politischen Ritual, jede Landtagswahl als Stimmungstest für die Berliner Politik hochzustilisieren. Das zeugt nicht unbedingt von großem Selbstbewusstsein auf Länderebene, lässt aber den vor Ort Agierenden immer auch ein Hintertürchen offen. Wer verliert, kann dies leichter mit Fehlern oder unpopulären Entscheidungen der jeweiligen Bundespartei erklären.

Etwas ist ja auch dran an diesem Testfall-Szenario. Bei Landtagswahlen schneiden gewöhnlich die Parteien schlechter ab, die gerade die Bundesregierung stellen. Weil Versprechen, Hoffnungen und Erwartungen vor der Wahl nicht mehr viel mit Realpolitik und der Wirklichkeit danach zu tun haben. Das betrifft alle gleichermaßen. Aktuelles Beispiel sind die lautstarken Steuersenkungsversprechen von FDP-Chef Guido Westerwelle, die immer mehr in sich zusammensacken und vor dem Urnengang in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai ohnehin nicht mehr vertieft diskutiert werden sollen.

Hier ringt CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers gerade um die Fortsetzung seiner schwarz-gelben Koalition. Obwohl sich das Regierungsbündnis aus CDU und FDP sowohl bundes- als auch NRW-weit in dieser Woche wieder ein ganz klein wenig aus dem Umfragetief der letzten Monate herausgearbeitet hat, reicht es derzeit im bevölkerungsreichsten Bundesland nur zu einem Patt mit Rot-Grün. Und in dieser Situation kommt es nach einer Serie von Pannen in NRW-Gefängnissen wieder einmal zu einem Justizskandal. In einem Remscheider Gefängnis gelingt es einem verurteilten Mörder, ein Messer in einen Besucherraum zu schmuggeln und damit seine Lebensgefährtin zu töten.

Das sind, so kurz vor dem Endspurt, schlechte Schlagzeilen für die CDU mit ihrer Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter. Und auch Rüttgers selbst ist es immer noch nicht gelungen, die Sponsoring-Affäre, die ihn mitten im Wahlkampf ereilte, von sich abzuschütteln. Er musste sogar seinen Generalsekretär in die Wüste schicken, weil der Firmen Exklusivgespräche mit dem Ministerpräsidenten gegen eine Extra-Gebühr angeboten hatte. Hausgemachte Probleme also.

Aber auch die SPD dümpelt laut Forsa-Umfrage mit ihrer Spitzenkandidatin Hannelore Kraft auf niedrigem Niveau vor sich hin. Derzeit liegt sie noch drei Punkte hinter dem Ergebnis der letzten verlorenen Wahl. Da werden neue Farbenspiele interessant. Für Schwarz-Grün könnte es reichen, für eine Große Koalition allemal. Oder, falls die Linke den Sprung in den Düsseldorfer Landtag schafft, auch für Rot-Rot-Grün. Das sind alles noch Spekulationen. Nur eines steht fest: Wird die amtierende Regierung in Nordrhein-Westfalen abgewählt, verliert auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit.

Ob sie darüber wirklich traurig wäre, steht auf einem anderen Blatt. Denn die Merkel-CDU, das haben die letzten Monate gezeigt, ist der SPD-Opposition in vielen Punkten näher als der einst als Wunschpartner deklarierten FDP. Das fängt bei der Frage nach der Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen an und hört bei der Steuerpolitik noch lange nicht auf.

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