Pfauen in den Zoo, moderne Führungskräfte in die Vorstände

Woran denken Sie beim Stichwort Frau? Richtig, an die Quote. Seit die luxemburgische EU-Kommissarin Viviane Reding sich Mitte November im Streit um eine europäische Frauenquote in den 5000 Börsenkonzernen durchgesetzt hat, nimmt das Thema wieder Fahrt auf.

Europaparlament und Ministerrat haben zwar noch gar nicht zugestimmt, aber die Töne werden schriller. Frauenverbände bejubeln allzu voreilig einen entscheidenden Durchbruch im Ringen um mehr Einfluss, Quotengegner höhnen, dass Europa doch nun wirklich andere Sorgen habe. Alle Argumente pro und kontra sind lange ausgetauscht. Aber die Emotionalität, die Krokodilstränen, die auf beiden Seiten vergossen werden, die Ängste, die Drohungen und der Spott, die mittlerweile die Debatten prägen, können nie und nimmer zu vernünftigen, zeitgemäßen Lösungen führen. Das entscheidende Missverständnis dabei ist, dass es nicht um Mann oder Frau, sondern um Mann und Frau geht. Heerscharen von Unternehmerberatern, Coaches und Autoren verdienen mittlerweile an diesem Missverständnis gutes Geld, indem sie karrierewilligen Frauen männliche Regeln beibringen und damit den heutigen Zustand nur verfestigen. Von der Nachfrage nach Seminaren, wie Männer sich auf weibliche Führungskräfte einstellen - auch diese Angebote gibt es - ist allerdings noch kein Berater reich geworden. Dieses Beispiel sagt viel aus über den unreifen Umgang miteinander in Fragen von Macht und Teilhabe. Selbstbewusste Männer brauchen keine geschützten Reservate. Und aufstrebende Frauen brauchen Chancen, kein Verhaltenstraining, das sie zur männlichen Kopie mutieren lässt. Es ist kein Zufall, dass die beiden mächtigsten Politiker Deutschlands Frauen sind, die sich einen Teufel um Empfehlungen scheren, wie sie zu führen haben. CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre künftig direkte Gegenspielerin Hannelore Kraft, die ab Januar die SPD-Länder im Bundesrat koordinieren wird. Wie oft musste sich Merkel schon den Vorwurf gefallen lassen, zu sehr zu moderieren, statt hart durchzugreifen, zu präsidial zu sein, statt den Kraftprotz und Lautsprecher zu geben. Und trotzdem hat sie Erfolg, eben weil sie sich treu bleibt und eben nicht versucht, andere nachzuahmen. Was ist also falsch daran, nicht ständig in den Schwarz-Weiß-Modus zu schalten, sondern Irrtümer zu revidieren und starke gesellschaftliche Strömungen in politisches Handeln zu integrieren, wie es Merkel beispielsweise mit der Abkehr von der Atomkraft getan hat? Einem ähnlichen Führungsmuster folgt auch NRW-Ministerpräsidentin und SPD-Vize-chefin Hannelore Kraft, die den Slogan ,,Basis statt Basta" ausgegeben hat. Sie ist die starke Frau im Hintergrund der SPD, an der niemand mehr vorbeikommt. Sie hat im Rentenstreit, der die Partei ausgerechnet zum Start in den Bundestagswahlkampf fast zerrissen hätte, den Kompromiss herbeigeführt, sie bestimmt unauffällig und unaufgeregt die Linie in vielen weiteren Fragen. Und, sie hätte auch Kanzlerkandidatin werden können, wenn sie denn gewollt hätte. Auf jeden Fall wären die Siegeschancen der SPD mit ihr als Frontfrau größer als mit einem holpernden und stolpernden Peer Steinbrück, der sich als Rechtsgerichteter in einer nach links gerückten SPD verbiegt. So ist denn die Quotendebatte in allen Bereichen, besonders aber auch mit Blick auf die Wirtschaftseliten, gar nicht so sehr eine Geschlechterdebatte, sondern vielmehr die Antwort auf einen geschlossenen und hierarchischen Führungsstil, den eine breit vernetzte, offene und mehrheitlich weibliche Gesellschaft nicht mehr versteht, geschweige denn akzeptieren will.

Isabell Funk, Chefredakteurin

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