Phantom-Debatte

Wir sind uns einig. Also streiten wir uns. So könnte man die Auseinandersetzung im rheinland-pfälzischen Landtag um den Atomreaktor Cattenom überschreiben, die sich diese Woche die rot-grüne Landesregierung und die CDU-Opposition geliefert haben.

Es gibt wenige Themen im Land, bei denen alle Parteien eine gemeinsame Linie vertreten. Aber bei der Forderung, den pannenträchtigen Meiler im Lothringer Grenzraum abzuschalten, stehen sie im Schulterschluss mit den übrigen Anrainern, dem Saarland und Luxemburg, zusammen. Eigentlich. Das Kraftwerk prägt seit seinen Anfängen vor 28 Jahren die politische Debatte in der Großregion. Eine Debatte, die den französischen Regierungen jeglicher Couleur bisher allerdings herzlich egal zu sein schien. Immerhin deckt Frankreich als größter Atomstromproduzent Europas mit 58 AKW drei Viertel seines Strombedarfs aus diesen Reaktoren. Auch wenn Präsident François Hollande in der Energiefrage mehr Ehrgeiz entwickelt als seine Vorgänger und bis 2025 den Anteil des Nuklearstroms auf 50 Prozent reduzieren will, auch wenn er den ebenfalls grenznahen Meiler Fessenheim im Rheingraben, den Methusalem unter den Kernkraftwerken, früher stilllegt als ursprünglich beabsichtigt, deutet nichts darauf hin, dass auch der Lothringer Atomofen trotz aller nachbarschaftlicher Proteste bald abgeschaltet werden soll. Im Gegenteil plant der Betreiber EdF, ihn länger am Netz zu halten, und hat hier für die nächsten Jahre eine vier Milliarden Euro schwere Investition angekündigt. Vor diesem Hintergrund wirkte die Rangelei im Landtag, wer sich denn nun energischer und wirkungsvoller gegen Cattenom positioniere, auch wie ein Stück aus der Krabbelgruppe. Man verleiht einem gemeinsamen Ziel weder Ernsthaftigkeit noch große Bedeutung, wenn man sich auf dem Weg dahin mit Schäufelchen bewirft.Isabell Funk, Chefredakteurin

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