Kommentar Plastik ade

Der Strudel Plastikmüll im Pazifik ist ein trauriges Mahnmal der gedankenlosen Wegwerfkultur, die alle Kontinente erfasst hat. 79 000 Tonnen Kunststoff, hergestellt aus kostbarem Rohöl und Gift für Meereslebewesen, schwimmen irgendwo zwischen Haiti und Kalifornien im Ozean. Über die Nahrungskette wandern Mikroplastikteile in die Mägen und Organismen der Menschen. Die Forschung hat noch keine Ahnung, ob und wenn ja welche gesundheitlichen Schäden die Plastikseuche bei den Menschen anrichtet.

Kommentar: Plastik ade
Foto: TV/Schramm, Johannes

Es ist höchste Zeit, dass die EU dem Meer an Plastik in unserer Umwelt den Kampf ansagt. Mit dem Binnenmarkt, wo 500 Millionen Verbraucher leben und wichtige Spieler der Industrie angesiedelt sind, hat die EU es in der Hand, wirklich etwas zu bewegen: Sie kann Standards setzen, die von anderen Märkten übernommen werden. Sie kann den Anstoß dafür geben, dass der Raubbau an Ressourcen und die Verpestung der Umwelt auch anderswo angegangen werden. Sie verhilft der EU-Industrie damit letztlich zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Denn: Mit einer wachsenden Weltbevölkerung und höherem Wohlstand werden auch die Menschen in andere Regionen der Welt erkennen, dass Müllvermeidung, Recycling und umweltgerechte Entsorgung der Restabfälle keine schlechte Ideen sind.

Den Anfang machte die EU-Kommission vor zwei Jahren mit ihrem Feldzug dagegen, dass sich Verbraucher beim Einkaufsbummel in der Stadt gedankenlos Plastiktüten in die Hand drücken lassen. In immer mehr Geschäften müssen sie jetzt dafür bezahlen, wenn sie die Tüte haben wollen. Schon dies trägt dazu bei, dass pro Kopf immer weniger Plastiktüten ausgegeben werden.

Jetzt kommt der zweite Schritt: Die Kommission verbietet Einwegplastikgeschirr und drückt der Industrie die Kosten für die Beseitigung von Zigarettenkippen und anderem Wohlstandsmüll an den Küsten Europas auf. Das ist in Ordnung: Damit werden die Konsumenten dieser Produkte eines Tages über höhere Produktpreise an den Entsorgungskosten beteiligt, die bislang allein von den Steuerzahlern und der Tourismuswirtschaft aufgebracht wurden.

Natürlich ist es leicht, Kritik an der einen oder anderen Stelle der EU-Strategie zu üben. Was zählt ist, dass die Kommission das Thema Plastikvermeidung schon vor Jahren auf die Agenda gesetzt hat und konsequent verfolgt. Sie handelt hier übrigens in bestem Einvernehmen mit einer Mehrheit der EU-Bürger. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierungen in den EU-Ländern das Gesetzgebungsverfahren nun zügig mittragen, so dass die Strategie noch vor der Europawahl im nächsten Jahr beschlossen werden kann.

Um die Flut an Kunststoffverpackungen möglichst kräftig zu senken, sind nun zwei Akteure gefordert. Zum einen sind da der Handel und die Lebensmittelindustrie: Viel zu viele Lebensmittel sind extrem aufwendig verpackt. Selbst an der Gemüsetheke im Supermarkt hat der Verbraucher häufig keine andere Wahl, als in Plastik eingeschweißten Spargel und Tomaten zu kaufen – selbst wenn die Produkte regional angebaut wurden. Ziel sollte es sein, dass schlanke Verpackungen mit möglichst geringem Plastikanteil neben der Qualität des Produkts zum Kaufkriterium werden.

Letztlich kommt es aber zum zweiten auch auf den Verbraucher selbst an. Der Kunde könnte seine Angewohnheiten hinterfragen. Das fängt beim Kaffee unterwegs an. Wer nicht darauf verzichten will, kann vielleicht bewusst den Plastikdeckel im Geschäft liegen lassen. Das Trinkwasser aus der Leitung hat häufig eine höhere Qualität als das abgepackte Wasser. Zumal bei dem Wasser aus der Plastikflasche noch nicht abschließend geklärt ist, ob nicht auch kleinste Plastikpartikel mit geschluckt werden. Niemand soll bevormundet werden: Vielleicht kommen aber eines Tages auch wieder mehr Menschen auf den Geschmack, dass der Verzehr von hochwertigem Essen in Ruhe und von Porzellantellern ein Fortschritt ist. Auch angesichts der Müllberge, den die Anhänger der Grillkultur in öffentlichen Parks hinterlassen, wäre dies durchaus zu begrüßen.


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