Prestige, Profit und Katastrophen

Es wird schon alles gut gehen. Die tödliche Massenpanik in Duisburg ist das Ergebnis von Großmannssucht, Fahrlässigkeit und - wie man heute weiß - unfassbarem Leichtsinn. Um jeden Preis wollte man die Liebesparade, die dem kleinen Duisburg weltweit positive Schlagzeilen hätte bringen sollen, in die Stadt holen.

Alle Warnungen über die mangelnde Eignung des Geländes für eine solche Megaparty schlugen Verwaltung und Veranstalter in den Wind. Überdies gestalteten sie laut einem Prüfbericht Flucht- und Zufahrtswege noch sehr viel kleiner und enger, als es das Gesetz erlaubt.

Duisburg hat es tatsächlich weltweit in die Schlagzeilen geschafft. Schlagzeilen, in denen 21 Tote und Hunderte Verletzte gemeldet werden mussten, Schlagzeilen, in denen ein Oberbürgermeister in beispielloser Feigheit die politische Verantwortung von sich wies, in denen Veranstalter, Behörden und die Polizei sich zankten wie die Kesselflicker und sich gegenseitig die Schuld zuschoben. Schlagzeilen über eine Katastrophe, die hätte vermieden werden können, wenn man sich an einen einfachen Leitsatz gehalten hätte: Sicherheit geht vor. Auch und erst recht vor Prestige.

Es wird schon alles gut gehen, dachten sich offenbar auch die Verantwortlichen von BP, als sie Sicherheitsmängel bei den ohnehin umstrittenen, weil gefährlichen Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko ignorierten. Zeit- und Kostengründe, also schlicht Profitgier, führten zur Explosion der Öl-Bohrinsel Deepwater Horizon, die die schwerste Umweltkatastrophe dieser Art in der amerikanischen Geschichte auslöste. Elf Menschen starben. Der ungebremste Ölfluss hat die Natur nachhaltig geschädigt - Zehntausende Vögel verendeten, die Lebensgrundlage von Meerestieren wurde massiv gestört.

Die Ölpest, deren tatsächliches Ausmaß auch mehr als drei Monate nach ihrem Ausbruch noch immer nicht abzuschätzen ist, hat überdies Auswirkungen auf die Fischereiindustrie, die Landwirtschaft, den Tourismus. Fachleute schätzen, dass an der Golfküste bis Ende des Jahres etwa 17 000 Arbeitsplätze verloren gegangen sein werden, andere prophezeien sogar den Verlust von 100 000 Jobs. Weil man eine vergleichsweise kleine Investition in Sicherheitsmaßnahmen scheute, hat man die Apokalypse billigend in Kauf genommen. Jetzt versinkt auch das Unternehmen in einem Finanz- und Imagedesaster.

Dagegen ist die Pannenserie der letzten Monate bei der Deutschen Bahn ja wirklich nur eine Randnotiz wert. Und doch geht es auch hier um das vernachlässigte Thema Sicherheit. Ob verschlissene Räder und Achsen oder nichtfunktionierende Klimaanlagen - ausgerechnet bei technisch hochgezüchteten und daher besonders störanfälligen ICE wurden Wartungsintervalle gestreckt. Seit Eschede, dem schwersten Unglück in der deutschen Bahngeschichte, das 1998 wegen Materialübermüdung 101 Menschenleben forderte, hätte man erwarten können, dass Instandhaltung oberste Priorität habe.

Wir wollen hier nicht mehr über das bisschen Ärger wegen ausgefallener, überfüllter und unpünktlicher Züge oder über kreislaufbelastende Sauna-Fahrten reden, sondern darüber, dass die Bahn sich ihrer Verantwortung für Leben und Gesundheit von Fahrgästen und Personal viel entschiedener als bisher stellen muss.

Das hat der neue Bahnchef, der sich von den hochfliegenden Börsengang-Plänen seines Vorgängers verabschiedet hat, versprochen. Wir nehmen ihn beim Wort.

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