Religionsdiktat im Namen der Religionsfreiheit

Es war die wohl skurrilste Meldung in dieser Woche, und es ist ein bisher einmaliger Vorgang: Eine Familie aus dem Schwäbischen erstreitet sich vor einem amerikanischen Gericht Asyl in den USA, weil sie die allgemeine Schulpflicht in Deutschland nicht mit ihrem Glauben vereinbaren kann und sich deswegen unterdrückt und politisch verfolgt fühlt.

Weit hergeholte Argumente, mag man meinen. Aber die religiös-fundamentalistischen Eltern unterstellen ein antichristliches Weltbild an deutschen Schulen und bestehen unter Berufung auf die Religionsfreiheit darauf, ihre fünf Kinder nach eigenen Wertmaßstäben zu Hause zu unterrichten.

Was im konkreten Falle ein amerikanischer Richter also als Verletzung grundlegender Menschenrechte wertet, wird hierzulande als Recht auf Bildung verstanden und als Chance, im Umgang mit Andersdenkenden soziale Kompetenz zu erwerben.

Und das ist gut so. Es sind ja gerade die gemeinsamen Grundwerte, die eine demokratische Gesellschaft zusammenhalten. Und wie sollten die sich denn herausbilden und festigen, wenn jeder nur in seiner eigenen Vorstellungswelt, nach eigenem Gutdünken lebte und es keine Richtschnur mehr für ein Zusammenleben gäbe? Religionsfreiheit setzt Pluralismus und Wahlmöglichkeit voraus. Sie wird nicht beschädigt, wenn sich Kinder in der Schule mit Inhalten und Meinungen auseinandersetzen, die den geistigen oder ideologischen Horizont ihrer Eltern überschreiten.

Welche Perspektiven haben diese Kinder, die zu Hause indoktriniert und - es ist ja verrückt genug - im Namen der Religionsfreiheit unter ein Religionsdiktat gestellt werden? Bewusst und gewollt werden sie an ihrer gesellschaftlichen Integration gehindert.

Denken wir ein solches Modell einmal ins Extreme weiter: Jede Splittergruppe, jede Sekte etc. könnte sich so unangefochten ihren eigenen Nachwuchs züchten. Das wäre das Ende jeglicher Verbindlichkeit, jeglicher Toleranz, jeglicher Weiterentwicklung.

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