Rhetorik im Zeichen der Flüchtlingskrise

Schlagfertigkeit, gefeilte Rhetorik, das Talent, komplexe Themen leicht verständlich zuzuspitzen, Sprachwitz und die Fähigkeit, dem politischen Gegner eine volle Breitseite zu verpassen oder ihn - eleganter - mit feiner Ironie zu treffen, gilt vielen Politikern im Kampf um die Wähler schon als halbe Miete. Wäre dem so, hieße unser Bundeskanzler heute Peer Steinbrück.

Der ließ sich dazu verleiten, mit geschliffenen Formulierungen Positionen zu verkaufen, die er selber nicht vertrat - und scheiterte krachend. Parteistrategen unterschätzen häufig das Gespür der Menschen für die Haltung hinter dem Wort. In eine andere Kategorie fällt die absichtsvolle Effekthascherei, in der politischen Debatte ebenso beliebt wie leicht durchschaubar, plumper und obendrein auch gerne mal ein Rohrkrepierer.

Die hatte wohl auch der parlamentarische Geschäftsführer der rheinland-pfälzischen CDU-Fraktion, Hans-Josef Bracht, im Blick, als er diese Woche seine Kollegen von SPD und Grünen, Carsten Pörksen und Nils Wiechmann, sowie Landtagspräsident Joachim Mertes einen Brief schrieb, in dem er sich um die parlamentarische Kultur im Zeichen der Flüchtlingskrise sorgte. Anlass war eine Parlamentsdebatte. Vertreter der rot-grünen Koalition hatten gegen CDU-Chefin Julia Klöckner geholzt und sie als das ,,freundliche Gesicht deutscher Fremdenfeindlichkeit" beschimpft.

Wie bekannt, setzt sich die Oppositionsführerin für die schnelle Abschiebung von Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsländern ein, machte gerade mit der Forderung nach einer Integrationspflicht von sich reden, plädiert für ein Burka-Verbot, weil sie in der Ganzkörperverhüllung eine Herabwürdigung der Frau sieht, und sagte ein Treffen mit einem Imam ab, der ihr als Frau nicht die Hand geben wollte.

Einmal davon abgesehen, dass hier beide Kombattanten aktuelle Flüchtlingspolitik und Integrationsversäumnisse aller früheren Regierungen durcheinanderwirbeln, sind Klöckners Positionen zwar manchem fremd, aber fremdenfeindlich sind sie nicht. Bracht wirbt in seinem Brief, der wohl eigentlich die Handschrift der Parteichefin trägt, dafür, persönliche Diffamierung und sprachliche Grenzüberschreitung auf allen Seiten zu vermeiden. Das klingt vernünftig. Und man könnte kommentarlos zustimmen, würde die CDU ihrerseits nicht selber oft gerne unangemessen scharfe Attacken reiten.

Daher geht die Geschichte weiter. Die Antwort der Grünen kam prompt. ,,Julia Klöckner gefährdet mit ihrem wiederholten Schüren von Ressentiments den inneren Frieden von Rheinland-Pfalz." Peng. Und ,,wenn jemand aber ständig die Grenzen des Verantwortungsvollen überschreitet, dürfen wir das nicht verschweigen". Die CDU fische am rechten Rand. Das gehe aber nach hinten los, denn sie treibe der AfD die Wähler zu.

Wiederum prompt die Antwort der CDU: Die rheinland-pfälzischen Grünen seien die Letzten, die anderen moralisierende Ratschläge geben dürften. Wer eine Meinung äußere, die nicht in ihr ideologisch geprägtes Weltbild passe, werde mit der Rechtsradikalismuskeule niedergeknüppelt. Genau das stärke die extremen Ränder. Wieder Peng. Worum ging's in dem Brief gleich nochmal? Um mehr Sachlichkeit, respektvolleren Umgang miteinander, verbale Mäßigung. Ach so!? Isabell Funk Chefredakteurin

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