Röslers Dilemma

Für FDP-Parteichef Philipp Rösler könnte es an diesem Wochenende beim Bundesparteitag in Karlsruhe ungemütlich werden. Nach dem Wahldebakel vor vier Wochen im Saarland, als die FDP mit 1,2 Prozent im Tal der Tränen versank, haben sich die Freidemokraten laut Umfragen zwar gerade wieder soweit erholt, dass wenigstens Hoffnung besteht, bei den Landtagswahlen in Schleswig- Holstein (6. Mai) und Nordrhein-Westfalen (13. Mai) nicht vollends unter die Räder zu geraten.

Aber da prasselt erneut heftige Kritik auf die Parteiführung ein. Nach dem Motto, wo FDP draufsteht, steckt nicht FDP drin, überbieten sich auf der Achse Kiel-Düsseldorf die beiden Wahlkämpfer Wolfgang Kubicki und Christian Lindner darin, sich von der Parteispitze zu distanzieren und ein ,,neues Denken" zu proklamieren. Dabei war erst vor genau einem Jahr von Kursschwenk und Aufbruch die Rede, als Rösler das Ruder übernahm. Er predigte die Abkehr vom Image der reinen Steuersenkungspartei, hin zur Betonung des Freiheitsgedankens, um gleich darauf selbst wieder Steuersenkungen zu fordern. Mit solchen und ähnlichen Ungereimtheiten und verbalen Ausrutschern, die außer ihm kaum jemand witzig findet, zieht er sich nicht nur immer häufiger den Zorn des großen Koalitionspartners CDU zu, er verspielt auch den Respekt in den eigenen Reihen. Wolfgang Kubicki beispielsweise gibt zurzeit gerne Interviews, in denen er gegen Rösler poltert als einen, der zu früh ins Amt gekommen, noch kein Staatsmann und ein ,,unterirdischer" Kommunikator sei. Und in die Nominierung seines einstigen Weggefährten und jetzigen Gegenspielers Lindner als Spitzenkandidat der nordrhein- westfälischen FDP wurde Rösler erst gar nicht mit eingebunden. Lindner, der erst im Dezember als Generalsekretär der Bundespartei das Handtuch geworfen hatte, wird jetzt schon wieder als neuer starker Mann der FDP gehandelt. Auch Wahlforscher sprechen bei den derzeit leicht ansteigenden Zustimmungswerten für die Freidemokraten von einem Lindner-Effekt. Ob der allerdings tatsächlich trägt, ist noch längst nicht ausgemacht. Denn diese Woche dürfte eine Befragung deutscher Führungseliten, die im Auftrag der Zeitschrift Capital durchgeführt wurde, die Liberalen zusätzlich alarmiert haben. Demnach glaubt 82 Prozent des Spitzenpersonals aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung, eine Gruppe also, die traditionell eher zu einer FDP-freundlichen Haltung neigt, nicht mehr daran, dass sich die Freidemokraten bis zur nächsten Bundestagswahl wieder erholen werden. Die Hälfte aller Befragten wünscht sich das nicht einmal. Vernichtend fällt dabei das Urteil über den Parteichef aus: 93 Prozent bescheinigen ihm Führungsschwäche. Auch wenn dies natürlich nur eine Momentaufnahme ist und Fraktionschef Rainer Brüderle im Vorfeld des Parteitags eindringlich vor einer erneuten Personaldebatte warnt, steht Rösler schon das nächste Dilemma bevor. Denn überspringt sein innerparteilicher Rivale Lindner bei den NRW-Wahlen die Fünf-Prozent-Hürde, strahlt der Glanz allein auf ihn ab, reißt er sie, trägt der Parteichef die Verantwortung. So oder so scheint Röslers politisches Schicksal besiegelt. Isabell Funk, Chefredakteurin

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