Standpunkt: Kleinstaaterei im Bildungswesen

Bildung ist unser wichtigstes Zukunftskapital. So lauten Politikerslogans quer durch alle Parteien.

Aber wie passt es dann zusammen, dass 16 Bundesländer separat an eigenen Modellen herumbasteln, ohne an einer gemeinsamen Strategie interessiert zu sein? Bundesbildungsministerin Annette Schavan will jetzt eine heilige Unions-Kuh schlachten. Sie plädiert für die Abschaffung der Hauptschule und setzt angesichts sinkender Schülerzahlen künftig auf ein zweigliedriges Schulsystem bestehend aus Oberschule und Gymnasium. Am Montag soll ein entsprechender Leitantrag verabschiedet werden, über den im November auf dem Bundesparteitag entschieden wird. Aber schon jetzt melden CSU, FDP und einige CDU-Ministerpräsidenten Protest an. Denn Fakt ist, dass Bildungspolitik in die Kernkompetenz der Länder gehört. Im Jahre 2006 wurde ein Kooperationsverbot im Grundgesetz verankert, das dem Bund jegliche Mitsprachemöglichkeit auf diesem Sektor verbietet. Die Folge davon ist ein Wildwuchs an Lehrplänen, Schulformen und -modellen quer durch die gesamte Republik. Der Föderalismus im Bildungswesen, ursprünglich propagiert als ein Wettbewerb ums beste System, hat im Grunde eher ideologische Sichtweisen verfestigt, als regionale Besonderheiten bedient. Wem schließlich sollte ein solcher Wettbewerb dienen? Es kann doch nicht sein, dass Familien, die mit ihren schulpflichtigen Kindern in ein anderes Bundesland ziehen, plötzlich mit völlig unterschiedlichen Lehransätzen konfrontiert werden. Umgekehrt ist es kaum vorstellbar, dass Familien nur deswegen ihren Wohnort wechseln, weil Ihnen anderswo die Schullandschaft besser gefällt. Es ist zudem aberwitzig, dass beispielsweise ein Zweier-Abitur, das in Hamburg oder Bremen erworben wurde, einen geringeren Marktwert hat als ein vergleichbarer Abschluss in München. Noch bestens in Erinnerung ist auch das Gezerre um das verkürzte, also achtzügige Gymnasium, das in einigen Ländern verpflichtend eingeführt wurde, in anderen, darunter auch Rheinland-Pfalz, dagegen als freiwilliges Angebot. Nicht die Länderhoheit über Bildungswege an sich führt zu Kleinstaaterei, sondern der Mangel an verbindlichen Absprachen, die für ein durchlässiges System nötig wären. Annette Schavan, die zu ihrer Zeit als Kultusministerin in Baden-Württemberg Dreigliedrigkeit und Hauptschule noch mit Zähnen und Klauen verteidigte, steht ein steiniger Weg bevor, wenn sie jetzt das Kooperationsverbot wieder aufheben lassen will und als ordnende Instanz den Bund ins Spiel bringt. Dass sie dabei eher in den eigenen Reihen als bei der Opposition auf Widerstand stößt, sind wir von der schwarz-gelben Regierungskoalition aus jüngsten Debatten um ganz andere Themen wie beispielsweise Atom ausstieg oder Aussetzung der Wehrpflicht ja mittlerweile gewöhnt. Isabell Funk, Chefredakteurin

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