Standpunkt

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat eigentlich gerade ganz andere Sorgen. Im kommenden Jahr sollen die letzten 850 Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan abgezogen werden. Da bricht in dem nach wie vor instabilen Land, das auch nach fast 15 Jahren Nato-Einsatz noch immer nicht befriedet ist, ein Kampf um Kundus aus.

Die Taliban melden die Eroberung der Region, in der einst deutsche Einsatzkräfte stationiert waren, Regierungstruppen wiederum die Rückeroberung. Die Lage ist unübersichtlich. Bundeswehr-Experten warnen vor dem Abzug der verbliebenen 13 000 Soldaten unter internationalem Mandat, die noch bis Ende nächsten Jahres afghanische Sicherheitskräfte ausbilden sollen, und raten sogar dazu, das Kontingent wieder aufzustocken.

Eine schwere Entscheidung auch für die deutsche Ministerin. Und ausgerechnet jetzt holt sie die Vergangenheit ein. Plagiatsjäger werfen ihr vor, vor 25 Jahren in ihrer Doktorarbeit betrogen, will heißen, abgeschrieben beziehungsweise Quellen nicht ausgewiesen zu haben. Das wäre beileibe kein Kavaliersdelikt.

Aber angesichts ihrer heutigen Aufgaben, von denen Menschenleben abhängen können, scheint das relativ trivial. Und doch könnte es für ihre Reputation, für ihr Ministeramt gefährlicher werden als jede falsche politische Maßnahme. Sollte die Medizinische Hochschule Hannover, die von von der Leyen selbst um eine Prüfung gebeten wurde, zu dem Ergebnis kommen, dass die Anschuldigungen berechtigt sind und ihr den Doktortitel aberkennen, dann wäre das vermutlich das Ende ihrer Karriere, wie Beispiele anderer Politiker belegen.

Plagiatsjägern dürfte es nicht um ethische Grundsätze oder die Sauberkeit der Wissenschaft gehen. Sonst würden sie sich nicht in regelmäßigen Abständen gezielt Politiker herauspicken. Ob's Willkür ist, oder ob dahinter Auftraggeber stecken, darüber lässt sich trefflich spekulieren. Aber einmal abgesehen von den Motiven der Spürhunde folgt die Bewertung von Spitzenpolitikern einer ganz eigenen Logik. Stolpern sie, dann seltener über Misserfolge in ihrer Arbeit als über persönliche Fehlleistungen - egal, wie lange sie zurückliegen.

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