Standunkt: Das Betreuungsgeld

Es gibt noch nicht einmal eine Gesetzesvorlage. Trotzdem ist die Aufregung groß. Die Politik strampelt sich gerade am Thema Betreuungsgeld ab, und die zuständige Ministerin macht dabei nicht den Eindruck, als habe sie das Heft des Handelns noch in der Hand.

Kristina Schröder, die bereits bis Ostern die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag verbindlich hätte regeln sollen, ist zwischen alle Fronten geraten. Nicht nur Opposition, Wirtschaft und Sozialverbände laufen in ungewöhnlicher Eintracht gegen die als Herdprämie beschimpfte CSU-Forderung Sturm.

Auch viele Politiker(-innen) aus den eigenen Reihen und der Koalitionspartner FDP stemmen sich vehement gegen Pläne, Eltern, die ihre unter dreijährigen Kinder nicht in die Krippe schicken wollen, finanziell zu unterstützen und damit ihre erzieherische Leistung zu würdigen. Was die Ministerin selbst davon hält, wurde bisher nicht wirklich klar, sie muss die vertrackte Situation aber händeln. Grundsätzlich steht nicht die Notwendigkeit von Kinder- und Familienförderung zur Debatte - denn die beteuern alle Seiten -, sondern der Weg dahin. Verwunderlich ist allerdings, dass das Betreuungsgeld überhaupt in den Koalitionsvertrag mitaufgenommen wurde, wenn selbst in den Regierungsparteien der Chor der Gegner so groß ist, dass schon wieder die Frage nach dem Fortbestand von Schwarz-Gelb gestellt wird.

Zusätzliche Nahrung bekam der Streit diese Woche, als bekannt wurde, dass Hartz-IV-Empfänger, häufig gehören alleinerziehende Mütter dazu, nicht von einer solchen Maßnahme profitieren sollen. Sprich: Das Betreuungsgeld, so es denn kommt, würde auf die Sozialleistungen angerechnet. Dieser Tropfen brachte dann das Fass zum Überlaufen. Besser Situierte, die es sich ohnehin leisten können und wollen, ihre Kinder daheim zu lassen, sollen Zuwendungen erhalten, alle anderen, also beispielsweise die, die in die Armut gerutscht sind, eben weil sie Kinder haben, sollen keine Wahlmöglichkeit haben.

Das CSU-Argument, man könne nicht Betreuungsgeld generell ablehnen, dann aber in Wallung geraten, wenn Bezieher von staatlicher Unterstützung daran nicht teilhaben, klingt logisch, ist aber in Wahrheit zynisch. Denn wer Anreize für die häusliche Betreuung schafft, tut das, weil er die Unterbringung in einer Krippe für die schlechtere Lösung hält und nicht der behaupteten Angebotsvielfalt wegen, von der ja eine Gruppe von vornherein ausgeschlossen wird. Das hat mit Chancengleichheit nichts mehr zu tun. Das ist Klientelpolitik.

Dennoch ist die Debatte um das Betreuungsgeld gut und wichtig. Wenn so leidenschaftlich um Familienmodelle gerungen wird, wächst die Chance, dass sich bei einem so lange vernachlässigten Thema endlich etwas bewegt. Isabell Funk, Chefredakteurin

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