Szenen einer Ehe

Wen Gott strafen will, dem erfüllt er seine Wünsche, sagt ein jüdisches Sprichwort. Wie verliebt sie doch vor der Bundestagswahl waren, die Schwarzen und die Gelben, Frau Merkel und Herr Westerwelle.

Aber kaum getraut, fliegen die Fetzen. Seit vier Monaten erleben wir jetzt schon Szenen einer Ehe, gegen die Ingmar Bergmanns filmisches Beziehungsdrama die reinste Romanze ist.

Ex-Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank Walter Steinmeier dürfte recht behalten haben, als er Angela Merkel prophezeite, sie werde sich die Große Koalition noch einmal zurückwünschen.

Zugegeben, wir haben uns mit Schwarz-Rot ein wenig gelangweilt. Das zähe, aber immerhin ernste Ringen um Kompromisse war nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Und über mehr als den kleinsten Nenner kamen die ehemals Regierenden selten hinaus. Aber sie haben in der Krise überwiegend besonnen, verantwortungsvoll und gemeinsam agiert.

Was wir jetzt erleben, ist Abenteuerpolitik pur. Selbst die Wirtschaftsverbände, die so große Hoffnung auf das neue schwarz-gelbe Bündnis gesetzt hatten, geißeln das jetzige Regierungshandeln als ,,Kinderei" und ,,orientierungslos". Dabei sind es ja nicht die unterschiedlichen Standpunkte, die diese Koalition so unreif und überfordert erscheinen lassen, sondern es ist das öffentliche Gezänk darüber.

Als diese Woche die Karlsruher Verfassungsrichter die Vorratsdatenspeicherung in ihrer jetzigen Form kippten, jubelte sich die FDP freudetrunken über den Unionsgram hinweg. Die angekündigte Steuerreform steckt in einer Sackgasse, weil die einen trotz Schuldenrekords ungestüm auf Steuersenkungen drängen, die anderen sich taub stellen. In der Gesundheitspolitik stößt die von FDP-Minister Philipp Rösler favorisierte Kopfpauschale auf erbitterten Widerstand von CDU/CSU. Guido Westerwelle zettelt eine überzogene Sozialdebatte an, Angela Merkel hat ihre liebe Not, die Flammen wieder auszutreten. In der Atompolitik plädiert CDU-Minister Norbert Röttgen zeitungsöffentlich für die Abschaltung alter Meiler noch in diesem Jahr, die FDP will aber genau davon nichts wissen.

Kein Wunder, dass die Opposition derzeit kaum Beachtung findet. Denn die Regierung ist sich gerade selber Opposition genug.

Gut möglich, dass Schwarz-Gelb für dieses Bild der Zerrissenheit schon im Mai die Quittung bekommt. Denn dann wird im bevölkerungsreichsten - ebenfalls noch schwarz-gelb regierten - Bundesland Nordrhein-Westfalen gewählt. Und sehr zum Ärger der FDP flirtet der wegen einer hausgemachten Sponsoring-Affäre ohnehin angeschlagene CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers gerade heftiger denn je mit den Grünen ...

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