Unterm Strich – Die Kulturwoche Holzköpfe in Gefahr und 100 Menschen des Jahres

Augsburg · Augsburg, das Trier beinahe um den Ruf als älteste Stadt Deutschlands gebracht hätte, wäre es nicht ein Jahr später, nämlich 15. v. Chr., gegründet worden, ist nicht gerade für Katastrophenmeldungen bekannt – mal abgesehen davon, dass es in Bayern liegt und Brechts Geburtsort ist.

Augsburger Puppenkiste in Gefahr und Times Magazine wird 100
Foto: dpa/Stefan Puchner

Doch jetzt kommen besorgniserregende Neuigkeiten aus der Fuggerstadt am Lech, dem berühmten (Kreuzworträtselzu-) Fluss zur Donau. Eines der Wahrzeichen der Stadt hängt derzeit sprichwörtlich an ganz dünnen Fäden: nämlich die Augsburger Puppenkiste. Die Marionettenbühne steht nach Aussage ihres Leiters Klaus Marschall, dem Enkel des Kistengründers Walter Oehmichen, der die Urform seiner Puppenbühne vor genau 80 Jahren unter dem Nanem „Der Puppenschrein“ ins Leben rief, vor einer ungewissen Zukunft.

Als Gründe nannte er die finanziellen Einbußen durch die Einschränkungen während der Corona-Pandemie. Ans Aufgeben denkt Marschall dennoch nicht. „Wir werden schon was finden, damit die Puppenkiste weiter existieren wird.“ Der Theaterchef, der die Puppenkiste seit mehr als 30 Jahren führt, sagte aber auch, er sei nicht weiter bereit, das finanzielle Risiko als Einzelperson zu tragen oder an seine Kinder, die ebenfalls bei der Puppenkiste mitarbeiten, weiterzugeben. Das finanzielle Risiko sei einfach zu hoch; man habe zuletzt etwa fünf Euro an öffentlichen Zuschüssen pro Zuschauer bekommen. Die Puppenkiste finanziert sich neben städtischen und staatlichen Zuschüssen hauptsächlich über Eintrittskarten und Spenden. Erst kürzlich hatte die Puppenkiste ihr 75-jähriges Bestehen – ihren endgültigen Namen erhielt sie am 26. Februar 1948 – gefeiert. Damals eröffnete „Der gestiefelte Kater“ die Saison – gefolgt von Urmel aus dem Eis, dem kleinen dicken Ritter, Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer und und und …

Wie schön, dass sie geboren ist, man hätte sie (wahrscheinlich) sonst sehr vermisst – nämlich die „Mutter aller Nachrichtenmagazine“. Die amerikanische Zeitschrift „Time“ wird am 3. März 100 Jahre alt. Und schon damals hatte das Magazin alles, was es noch ein Jahrhundert später ausmacht: den komprimierten Blick auf die wichtigsten Themen aus Politik und Gesellschaft. Die nüchterne Art. Den Anspruch, besser zu sein. Medien auf der ganzen Welt ahmten dieses Format nach, den Artikelstil bis hin zu den Titelseiten mit rotem Rahmen (den auch ein deutsches Nachrichtenmagazin aus Hamburg abgekupfert hatte). Schon nach vier Jahren verkaufte „Time“ mehr als 175.000 Exemplare pro Woche. Im Zweiten Weltkrieg wurde es für die USA zu einer der wichtigsten Quellen der Meinungsbildung.

Besondere Wirkungsmacht entfaltete die „Time“-Berichterstattung über die amerikanische Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und 1960er Jahren. „Time“ bleibt bis heute eine Macht. Nicht zuletzt wegen der zur amerikanischen Tradition gewordenen jährlichen Wahl der „Person of the Year“ (bis 1999 noch „Man of the Year“), die die einflussreichste Person – ob im guten oder schlechten Sinne – des Jahres ehrt. 1938 – vorm Griff ins Klo ist eben niemand gefeit – wurde Adolf Hitler mit dem Titel ausgezeichnet. Die bisher letzte Deutsche war Angela Merkel 2015. Als Frauen gingen ihr unter anderem voraus, Wallis Simpson (1936), weil sie in der Lage war, einen König vom Thron zu locken, und, vielleicht als Wiedergutmachung für diesen royalen Aderlass in Großbritannien, 1952 die Nichte des abtrünnigen Königs, Elisabeth II. Im vergangenen Jahr fiel die Entscheidung übrigens auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die frohe Kunde überbrachte ihm US-Präsident Joe Biden persönlich bei seinem Besuch im Weißen Haus: „Wir haben eine berühmte Sache, die einmal im Jahr stattfindet: Wir wählen die ,Person des Jahres’ im ,Time’-Magazin: Sie sind es.” (no/dpa)

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