Die Kulturwoche Sehr öffentlich und sehr geheim

Rechtzeitig zur Wahl kommen „Public Enemy“ mit ihrem 15. Album auf den Markt. Public Enemy, das ist die Rap-Truppe, die als erste Formation ohne Rücksicht auf Verluste auf Konfrontationskurs mit dem weißen Amerika ging – und mit ihrer Attitüde viele weiße Teenager, die eher dem Rock oder Metal anhingen, begeisterte.

Rapper Chuck D und Flavor Flav spielten zu Zeiten der konservativen US-Präsidenten Ronald Reagan und George Bush senior gezielt mit weißen Ängsten: Bodyguards in Militäruniformen sorgten für Bühnenauftritte, die an die radikale Black-Panther-Bewegung erinnerten. Eines ihrer frühen Alben hieß „Fear of a Black Planet“. Die Angst vor den Schwarzen eint die um ihre Vormachtstellung bangenden Weißen, und diese Angst wird angetrieben von dem Mann, den „Public Enemy“ in ihrem Song „State of the Union“ ein unrühmliches Denkmal setzen: den derzeitigen „Präsidenten“ bezeichnen sie als  „White House killer“ und „nazi gestapo“ und fordern das Land auf: „Vote this joke out“, frei übersetzt: „Wählt diese Witzfigur ab“. Einer der prominentesten Tracks, den Public Enemy 1989 im Auftrag des Regisseurs Spike Lee als Soundtrack zu dessen Film „Do the Right Thing“ schrieben, entwickelte sich zu ihrem Schlachtruf: „Fight the Power“. Jetzt haben sie ihn neu aufgenommen und als Single „Fight the Power 2020“ veröffentlicht. Und wer für sie der „Public Enemy No. 1“, also der Staatsfeind schlechthin, ist, dürfte nach dem Remix des Songs von 1987 ebenfalls eindeutig sein.

Normalerweise arbeiten sie so, dass möglichst niemand etwas davon mitbekommt. Unvorstellbar eigentlich, dass ihre Tätigkeit jetzt zum Thema einer Ausstellung geworden ist. Genau das aber passiert gerade in Frankfurt: James Bond oder George Smiley sind die Spione der großen Leinwand und der einschlägigen Literatur. Jetzt beschäftigt sich die Kunst mit der Spionage: „We never sleep“ heißt die Schau in der Kunsthalle Schirn. Mehr als 40 Künstlerinnen und Künstler aus mehr als 20 Ländern zeigen Gemälde, Fotografien, Videoarbeiten, Skulpturen und Installationen (bis 10. Januar). Ergänzt wird die Präsentation mit Filmplakaten und historischen Apparaturen wie einer Kamera in einer Gießkanne oder der Verschlüsselungsmaschine Enigma, die im Zweiten Weltkrieg die größte Herausforderung für die Codeknacker des britischen Geheimdienstes wurde. Die Ausstellung sei zwar lange vor der Corona-Pandemie konzipiert worden, erhalte aber durch die Diskussionen um Manipulationen, Überwachung und persönliche Freiheit sowie Verschwörungstheorien eine „neue Intensität“, sagte Schirn-Direktor Philipp Demandt. Sie wolle zudem Überraschungen und Fragen provozieren. Dem trage auch die Architektur der Darstellung Rechnung, mit einer verschachtelten Rauminstallation und „labyrinthischer Logik“, die zu immer neuen spionagebezogenen Bereichen führe. „Am Ende soll, wie in der nebulösen Welt der Spionage, die Wahrheit ein Mysterium bleiben.“ Erinnert sich noch jemand an die Fernseh-Serie „Kobra, übernehmen Sie“, die ab 1967 auch hierzulande zu sehen war? Die Bänder, mit denen die Agenten ihre Aufträge erhielten, zerstörten sich nach einmaligem Abhören selbst. Gut möglich, dass der Katalog, den man in der Ausstellung für 24 Euro erwerben kann, sich auf dem Nachhauseweg ebenfalls in Luft auflöst. no/dpa

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