Kolumne „Unterm Strich - die Kulturwoche“ Über Naive und Nackte
Unser Autor blickt zurück auf einen Film, der 25 Jahren nach seinem Erscheinen alles andere als inaktuell ist - im Gegenteil. Und wendet sich dann nackten Tatsachen in einer neuen Ausstellung zu. Mehr in der neuen Folge der Volksfreund-Kolumne „Die Kulturwoche“.
Ein Vierteljahrhundert hat er auf der Perforation – und ist seit seiner Uraufführung keinen Tag gealtert, im Gegenteil: An Aktualität hat die Mediensatire „Die Truman Show“ noch zugelegt.
Der Film des australischen Regisseurs Peter Weir läutete 1998 ein neues Zeitalter ein und wirkt heute wie ein Vorbote auf viele aktuelle Phänomene. „Guten Morgen!“, grüßt der Versicherungskaufmann Truman Burbank (Jim Carrey) fröhlich die Nachbarn im idyllischen Insel-Ort Seahaven. Doch der schöne Schein trügt: Denn Truman muss bald erfahren, dass sein ganzes Leben seit 30 Jahren nur eine Lüge ist, die weltweit Millionen als Realityshow und Soap-Opera im Fernsehen verfolgen.
Seit seiner Geburt lebt Truman in einem gigantischen Fernsehstudio. Er wurde von der Produktionsfirma adoptiert, Familie und Freunde sind alle Schauspieler, die auch Produktplatzierungen vornehmen müssen. Rund 5000 installierte Kameras dokumentieren Trumans Leben rund um die Uhr für Hunderte Millionen Fans. Dirigiert wird die Kunstwelt von Christof (Ed Harris), dem größenwahnsinnigen Schöpfer der Dauerserie, der sogar die Sonne nach Belieben auf- und untergehen lässt.
Die glatte Fassade der schönen neuen Welt erhält jedoch Risse, als eines Tages ein Scheinwerfer „vom Himmel fällt“ oder Truman seinem „toten“ Vater begegnet. Truman wird skeptisch und droht das Spiel zu durchschauen.
Christofs Lebenswerk steht auf dem Spiel. Nach dem Film ist sogar eine psychische Störung benannt. Wissenschaftler sprechen vom „Truman-Syndrom“ bei Menschen, die davon überzeugt sind, dauerhaft von versteckten Kameras (zur Unterhaltung anderer) gefilmt zu werden. Die von Peter Weir („Der Club der toten Dichter“) inszenierte Groteske spielte in den Kinos Ende der 90er Jahre weltweit rund 264 Millionen US-Dollar ein. Allein in Deutschland hatte der Film damals nach dem Kinostart (12.11.1998) rund 2,8 Millionen Kinobesucher. Heute Abend zeigt ZDFneo um 22 Uhr noch einmal „Die Truman Show“.
Mit Skandalen ganz anderer Art, wenn auch nur weit zurückliegend in der Historie, wartet das Landesmuseums für Kunst- und Kulturgeschichte in Münster auf. Die Schau ist eine Kooperation mit der Londoner Tate Gallery und hat vielleicht deshalb den englischen Titel beibehalten: „Nudes“ („Nackte“). Die Schau widmet sich bis 14. April der Entwicklung von Aktdarstellungen in der Kunst vom 19. bis ins 21. Jahrhundert und „beleuchtet den historischen künstlerischen Akt, intime und moderne Aktdarstellungen sowie surreale Körper und politisch aufgeladene und fragile Darstellungen nackter Körperlichkeit“, heißt es auf der Homepage des Museums.
Mittelpunkt und Hauptwerk ist Auguste Rodins „Der Kuss“. Die monumentale Marmorskulptur zweier innig Liebender galt noch Jahrzehnte nach ihrer Präsentation im Jahr 1887 als skandalös. Die Werke stammen unter anderen von Pablo Picasso, Francis Bacon, Henri Matisse, Alice Neel, Tracy Emin oder den Guerilla Girls. Aktbilder aus der LWL-Sammlung etwa von Edward Munch oder August Macke ergänzen die Schau.
Dass mittlerweile von Skandal beim Anblick nackter Tatsachen keine Rede mehr sein kann, beweist allein die Tatsache, dass die Ausstellung ohne Altersbeschränkung für alle Besucher freigegeben ist. no/dpa