Aufgeschlagen – neue Bücher Wiener Blut

Österreich und Deutschland – das war schon immer eine, nun, sagen wir, nicht ganz unproblematische Zuneigung. Die Österreicher lieben die Effizienz ihrer nördlichen Nachbarn (na ja…), und die Piefkes mögen den Wiener Schmäh und die Bergwelt und Johann Strauß, wenn sie in Walzerstimmung sind.

 Cover "Der Stempelmörder"

Cover "Der Stempelmörder"

Foto: Gmeiner Verlag/Cover Gmeiner Verlag

Dass die Alpenrepublik auch ein bevorzugtes Einwanderungsland  für die Germanen ist, ist eher weniger bekannt.

Einer, der sein Glück dort finden will, ist Juri Sonnenburg, studierter Geologe, der in seiner Heimat keinen Job findet. In Österreich allerdings auch nicht. Denn zunächst muss er sich als würdiger Bewohner des auserwählten Landes bewähren. Dafür kommt er ins „Piefke 5“ genannte Naturalisierungsprogramm, währenddessen er in einem schäbigen Männerwohnheim das Zimmer mit einem Kärntner namens Georg teilen muss, der aus unerfindlichen Gründen ebenfalls im Deutschentrakt gelandet ist. Was das Österreicherwerden erschwert, ist eine Mordserie, deren Opfer allesamt der Stempel „Piefke 5“ vom Täter auf den Körper gedrückt wird. Um nicht vom germano-feindlichen Kommissar, der natürlich sofort die Deutschen verdächtigt, des Landes verwiesen zu werden, entschließt Juri sich, zusammen mit Georg selbst auf Mördersuche zu gehen.

Und jetzt entwickelt sich eine schier unglaublich rasante Handlung, bei der die Glaubwürdigkeit aufs Aberwitzigste strapaziert und Wien unversehens zum Zentrum des magischen Realismus wird.  Es geht um Drogenhandel und Korruption bis in höchste Polizeizirkel, Fremdenhass und Prostitution und viel Geld. Was ja alles noch im Rahmen des Üblichen ist.

Wer freilich in solchen Kreisen verkehrt, darf vor nichts zurückschrecken. So legt sich der Protagonist beispielsweise, um der Polizei zu entwischen, zu seiner (ebenfalls ermordeten) Freundin in den Sarg und wird darin per Rohrpost zum Zentralfriedhof geschossen (das Transportsystem gibt‘s wirklich!). Zwei Tage nach ihrem Hinscheiden läuft die Tote allerdings wieder putzmunter durch Wien, um sich vor ihrem Abflug nach Südafrika ein Feuerwerk anzuschauen, das Juri und Georg vom Turm des Stephansdoms aus zünden. Wie es dazu kommt … tja, da müsste man jetzt noch mal zurückblättern. Dass am Ende der Mörder enttarnt wird – geschenkt. Im allgemeinen Chaos sind die blutrünstigen Morde ohnehin nur eine skurrile Beigabe, die zumindest die Charakterisierung als „Wien-Krimi“ rechtfertigen.

Fazit: Eine Krimikomödie für alle, die sich an den Klischees, die sich die beiden Völker gegenseitig überstülpen, nicht sattlesen können und die abstrusesten Dinge wenn schon nicht für bare Münze nehmen, so doch zumindest für plausibel halten. Rainer Nolden

Torsten Schönberg, „Der Stempelmörder – Wien-Krimi“, Gmeiner, 344 Seiten, 12,50 Euro.

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