Verrechnet, geschönt, verheimlicht

Nicht erst Banken-, Finanz- und schließlich Eurokrise haben die Skepsis der Bevölkerung geweckt, ob Politiker und Finanzexperten auch sorgsam genug mit Steuergeldern umgehen. Aber sie haben sie deutlich verschärft.

Dass Misstrauen angebracht ist, hat uns erst Ende vergangenen Monats ein gigantischer Fehler der mittlerweile verstaatlichten Skandalbank Hypo Real Estate vor Augen geführt. Weil sie Plus und Minus verwechselt hatten, verbuchten Banker 55,5 Milliarden Euro falsch. Schlimmer noch: Wirtschaftsprüfern und dem zuständigen Finanzministerium war die katastrophale Rechenpanne nicht einmal aufgefallen. Was für ein Dusel, dass der Schuss für den Bund in die richtige Richtung losging und der deutsche Schuldenberg auf einen Schlag um eben jenen Milliardenbetrag schrumpfte. Man möchte sich das Fiasko gar nicht vorstellen, wäre es andersherum gelaufen. So fiel das öffentliche Echo denn auch eher spöttisch als vernichtend aus. Trotzdem lässt es einen fassungslos zurück, wie unglaublich fahrlässig hier Finanzjongleure agiert haben und wie wenig sich der Staat offenbar als wirtschaftliche Kontrollinstanz eignet. Immerhin hatten die Banker den hochnotpeinlichen Fehler selbst entdeckt. Beispiel zwei: Politik braucht ambitionierte Ziele. Sonst bewegt sich ja nichts. Aber wenn schon beim Fundament gepfuscht wird, ist die Stabilität des ganzen Hauses dahin. So geschehen am überwiegend landeseigenen Nürburgring. Dort scheinen über Jahrzehnte hinweg falsche Angaben über Besucherzahlen System gehabt zu haben. Die Differenz zwischen tatsächlich verkauften Tickets und publizierten Besucherzahlen für unterschiedliche Spektakel ist derart gewaltig, dass man nicht mehr von Irrtum ausgehen kann. Vielmehr von Schwindel und Schönrechnerei, auf deren Grundlage allen Warnungen zum Trotz ja auch das hoch umstrittene Freizeitzentrum errichtet wurde. Nun mögen Manipulationen mit Besucherzahlen im Rennzirkus so ungewöhnlich nicht sein. Das dürften auch die heutigen Betreiber gewusst haben, die zurzeit mit der Landesregierung im Clinch liegen, weil sie die vereinbarten Pachtzahlungen deutlich drosseln wollen. Unabhängig vom Ausgang dieser Auseinandersetzungen bleibt unterm Strich eine überdimensionierte Vergnügungsstätte, die über den Winter zeitweise außer Betrieb gestellt werden muss. Dafür sind die Steuerzahler nicht nur in Vorleistung gegangen, sie tragen auch noch das volle Risiko. Beispiel drei: Als wäre das Desaster um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 nicht schon groß genug, wurde dem Magazin Spiegel diese Woche eine interne Kostenrechnung samt Aktenvermerk zugespielt, wonach die baden-württembergische Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten und heutigen EU-Kommissar Günther Oettinger bereits 2009 von deutlich höheren Summen ausging, als gegenüber Parlament und Öffentlichkeit kommuniziert. Die mit der Bahn vereinbarte Obergrenze liegt bei 4,5 Milliarden Euro. Landesbeamte sollen aber bereits vor drei Jahren Beträge zwischen 4,9 und 6,5 Milliarden Euro errechnet haben. Zwar sind Kostensteigerungen bei Bauprojekten mit langwierigen öffentlichen Verfahren durchaus normal. Aber wer sie absichtlich verschweigt, will täuschen. Wen wohl?

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