Warum die Rente mit 70 unvermeidbar ist

Was für ein Aufschrei, als die damalige Große Koalition den schrittweisen Einstieg in die Rente mit 67 beschloss. Die EU-Kommission in Brüssel geht heute sogar weiter und bringt die Rente mit 70 ab 2060 ins Gespräch. Betroffen davon wären dann als erste die Schüler von heute.


Eine unzumutbare Forderung? Nein. In ganz Europa ist die Lebenserwartung beachtlich gestiegen. Und sie soll sich sogar noch weiter erhöhen. Laut einer Studie der Uni Köln erreichen Mädchen in Deutschland, die 2010 geboren werden, im Durchschnitt ein Alter von 93, Jungen von 88 Jahren. Daneben sinken die Geburtenraten seit Anfang der 1970er Jahre in immer rasanterem Tempo. Schon jetzt zeichnet sich in manchen Branchen ein Mangel an Fachkräften ab. In Zukunft werden nicht mehr die Erwerbsfähigen der Arbeit hinterherlaufen, sondern die Arbeitgeber den Erwerbsfähigen. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung alt und der kleinere Teil jung ist, wer soll dann angemessene Renten erwirtschaften? Ein Thema, das soziale Sprengkraft birgt.

Statt also gegen das Unvermeidbare anzurennen, sollten wir jetzt anfangen, es zu gestalten. Lebensarbeitszeit und Berufskarrieren müssen neu definiert, anders organisiert und damit den jeweiligen Kräfteverhältnissen angepasst werden. Bereits heute ist die Altersgruppe der 60- bis 70-Jährigen weitaus vitaler und dynamischer als die vergangener Generationen. Und die meisten von ihnen würden sich auch selber nicht als alt bezeichnen. Viele fühlen sich beruflichen Herausforderungen nach wie vor gewachsen. Bundesministerin Ursula von der Leyen hat es einmal mit folgender Formulierung schön auf den Punkt gebracht: Die Jungen sind schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzung. Hätte übrigens nicht die Bundesversammlung, sondern die Bevölkerung vorige Woche den Bundespräsidenten wählen dürfen, säße jetzt der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck in Schloss Bellevue. Der Mann ist 70 - kraftvoll und überzeugend.

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