Warum heute jedes Dorf seine Kirche hat

Mama liest gerade in der Zeitung. "Hört euch das mal an", ruft sie aufgeregt. "Jetzt sollen schon wieder zwei Pfarrgemeinden zusammengelegt werden. Dann hat unser Nachbardorf auch keinen eigenen Pfarrer mehr." Opa schaut besorgt über seine Brille: "Wenn das so weitergeht, haben wir bald Zustände wie vor 1700 Jahren", brummt er. Mama guckt über ihre Zeitung: "Jetzt mach' aber mal halblang, so schlimm wird es wohl nicht."

 Sommerreise Teil 4: In Jucken fällt direkt die katholische Filialkirche St. Valentin auf. Sie ist beim Besuch der TV-Reporterin leider verschlossen.

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Foto: Monika Pradelok

Paul hat aufmerksam zugehört. "Was war denn vor 1700 Jahren?", will er wissen. Vor 1700 Jahren gab es noch gar keine Pfarrgemeinden wie heute. Damals gab es auch noch nicht viele Christen. Die meisten lebten in den Städten. Dort gab es einen Bischof, der für einen bestimmten Bezirk, die Diözese, zuständig war.

Zum Bischof gehörte seine Bischofskirche, die Kathedrale. Um das Christentum auch unter der Landbevölkerung zu verbreiten, ließen die Bischöfe auf dem Land Kirchen bauen, in denen die Leute zur Messe gehen konnten.

Um getauft zu werden, mussten die Landleute allerdings auch weiterhin die oft langen Wege in die Bischofskirche zurücklegen. Das Recht zu taufen behielt sich der Bischof vor. Mit der Zeit verbreitete sich das Christentum so stark, dass bald jedes Dorf eine eigene Kirche hatte. Etwa vor etwa 1000 Jahren wurden in den Kirchen dann Pfarrer eingesetzt, die nur für die Gemeinschaft der Christen zuständig waren, die in diesem Dorf lebten. So entstand die Pfarrgemeinde, wie wir sie heute kennen.

Der Gemeindepfarrer durfte in Vertretung des Bischofs die Sakramente spenden, auch die Taufe. Außerdem kümmerte er sich um die Seelen seiner Gemeindemitglieder. Daher kommt das Wort Seelsorge.

Natürlich mussten die Gemeindepfarrer auch von etwas leben. Gehälter wie heute gab es damals nicht. Viele Pfarrhäuser, auch hier in der Region, waren richtige kleine landwirtschaftliche Betriebe mit Stall und Scheune. Außerdem erhielten die Pfarrer einen Teil der Erträge aus Weingütern oder Landwirtschaftsbetrieben, die der Kirche gehörten.

Die Kirchen wurden bald zum Mittelpunkt der Gemeinde, der Pfarrer zur wichtigsten Person. Er war Ratgeber bei vielen Problemen des Lebens. Da bis vor einigen 100 Jahren viele Leute noch nicht lesen konnten, war die Predigt des Pfarrers für sie fast so etwas wie ein Hörbuch. Eva-Maria Reuther

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