Weltansichten eines Sprachkünstlers

Trier · „Ich sah.“ So beginnt jede der 70 Reisegeschichten, die Christoph Ransmayr in seinem „Atlas eines ängstlichen Mannes“ zusammengetragen hat.

Weltansichten eines Sprachkünstlers
Foto: argon edition

Geschichten von überall dort, wo er gewesen ist: Aus seinem Heimatland Österreich, aus Marokko, Brasilien und Japan etwa. Erlebnisse aus seiner Zeit als Messdiener und solche, die dem 1954 geborenen Autor als welt- und lebenserfahrenem Mann widerfahren sind. Der Titel nennt den Erzähler einen „ängstlichen Mann“. Ängstlich vielleicht im Sinne von respektvoll, aufmerksam erwartend. Er ist bereit und gewappnet für das, was ihm widerfahren, was er sehen, hören und was ihm erzählt werden wird, um es dann weiterzugeben. Er berichtet von den Grausamkeiten der Schreckensherrschaft Pol Pots, die ihm ein Fischer auf einer Bootsfahrt über den Mekong erzählt. Er beschreibt die Begegnung mit einem Kalligraphen in Peking, der mit Wasser auf Steine schreibt. Erzählt vom blutigen Kampf zwischen Mann und Stier in Sevilla. Vom Teles8kopblick in den Nachthimmel zum Sternbild Haar der Berenike.„Geschichten ereignen sich nicht, Geschichten werden erzählt“, sagt Ransmayr im Vorwort. Ein Grund mehr, zuzuhören, wie der Reisende selbst die niedergeschriebenen Erlebnisse vorträgt. Betont, aber die poetischen Beschreibungen nicht übertönend. Unaufgeregt, aber nie beiläufig. Eine Art erwartungsvolles Erstaunen schwingt oft in seiner Stimme mit, als begegne er den Orten und Menschen aufs Neue.Egal, wo man den Atlas aufschlägt: Es entfalten sich wunderbare Weltsichten, wahrgenommen von einem achtsamen Beobachter, notiert von einem großen Sprachkünstler und gelesen von einem bescheidenen Autor. Christoph Ransmayr: „Atlas eines ängstlichen Mannes“, ungekürzte Autorenlesung, zwölf CDs, Argon Hörbuch, 39,95 Euro

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