Wer die Zeche zahlt

Mainz · Der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel hat in seiner langen politischen Laufbahn schon manchen Sturm überstanden. Dieser Tage bläst dem Sozialdemokraten aber der Wind so scharf ins Gesicht, dass er es möglicherweise nicht mehr bis zum regulären Ende seiner Amtszeit im Jahr 2013 schafft.

Sein Fall ist zum Politikum geworden, denn CDU-Generalsekretär Josef Rosenbauer und andere fordern unverblümt den Rücktritt Beutels und verlangen von Ministerpräsident Kurt Beck, er als SPD-Landesvorsitzender möge Genosse Beutel "aus dem Verkehr ziehen". Die Mainzer Sozialdemokraten wenden sich scharenweise von ihrem Stadtoberhaupt ab. Die Grünen wettern über einen immensen politischen Flurschaden. Eine Abwahl im Stadtrat steht im Raum. Auslöser des Gewitters war eine Reise ins rheinland-pfälzische Partnerland Ruanda mit einer Delegation um Innenminister Roger Lewentz. Als die Teilnehmer wieder zu Hause waren, stellte sich heraus, dass Beutel zweimal "vergessen" hatte, die Zeche für den Genuss von drei Gläsern Rotwein zu zahlen. Gegenüber Medien konnte sich der Jurist zunächst gar nicht an die Vorfälle erinnern. Dann räumte er ein, er habe schlicht nicht genug Geld gewechselt. Minister Lewentz soll zumindest eine Rechnung beglichen haben. Beutel erstattete ihm den Betrag zurück. Der Zechpreller zahlt nun aber eine viel größere Zeche, denn seine Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, die für einen Politiker unerlässlich ist. Kein Wort der Reue drang ihm tagelang über die Lippen, ehe er sich mühevoll zu einer Entschuldigung und einer 1000-Euro-Spende an eine gemeinnützige Einrichtung durchrang. Man erinnert sich, dass der OB in jüngster Vergangenheit bereits wegen einer Reise auf die Insel Capri ins Visier der Justiz und der Öffentlichkeit geraten war. Eine Stadtwerke-Tochter zahlte damals die Reise für den Aufsichtsratsvorsitzenden Beutel und andere. Gegen den Mainzer OB wurde ermittelt, er musste später einen Strafbefehl akzeptieren. Schon melden sich in den Mainzer Medien Stimmen zu Wort, Beutel habe auch bei anderen Gelegenheiten Getränkerechnungen nicht bezahlt. Ein Sturm der Entrüstung fegt über den Politiker hinweg. Während der Druck auf Beutel wächst und wächst, winkt Ministerpräsident Beck ab. Sein lapidarer Kommentar: "Lassen wir mal die Kirche im Dorf." Es gebe "keinen Anlass, Scherbengericht zu halten".

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