Kolumne: Ideen, die kein Sparer braucht

Mario Draghi ist gestresst. Seit drei Jahren führt er die Europäische Zentralbank (EZB) und konnte sich als Euro-Retter präsentieren. Zuletzt war seine Strategie, die mehr Wirtschaftswachstum für Europa bringen sollte, aber nicht mehr von Erfolg gekrönt.

Trotz extrem niedriger Zinsen gibt es keinen übergreifenden Aufschwung in der Euro-Zone. Das macht den italienischen Wirtschaftswissenschaftler anfällig für noch radikalere Ideen, und davon lagert einiges in den Giftschränken seiner Notenbank.

Seine Bereitschaft, Neuland zu betreten, hat Draghi bereits mit der Einführung des Strafzinses für Banken bewiesen. Seit zwei Wochen müssen sie der EZB 0,1 Prozent Zinsen dafür zahlen, dass sie ihr Geld bei ihr parken können. Bei den 150 Milliarden Euro, die die Finanzinstitute zurzeit hier liegen haben, kommt dabei eine beachtliche Summe zusammen. Ziel der EZB ist es aber nicht, die eigenen Gewinne nach oben zu treiben, sondern die Konjunktur anzukurbeln. Statt Strafzinsen zu zahlen, sollen die Banken dazu animiert werden, das Geld als Kredite an Firmen weiterzugeben.

Funktioniert das nicht, kommen wir in den Bereich der Spekulation. Denn niemand kann genau vorhersagen, wie die EZB agieren wird. Als ein mögliches Szenario gilt die Einführung eines negativen Leitzinses. Für den Verbraucher hört sich das nicht einmal schlecht an. Nehmen wir an, Sie wollen einen Fernseher für 1000 Euro auf Kredit kaufen. Bei einem negativen Zins von etwa ein Prozent müssten Sie dann bei einer Laufzeit von drei Jahren nur rund 970 Euro zurückzahlen. Eigentlich prima, es gibt allerdings einen Haken. Niemand verleiht einfach so Geld, wenn er es nicht vollständig zurückbekommt.

Die Konsequenz: Die Menschen würden ihr Erspartes lieber zu Hause bunkern, als es mit Verlusten bei ihrer Bank anzulegen. Auch dafür haben Ökonomen zumindest eine theoretische Lösung entwickelt: Sie lautet Banknoten-Lotterie. Dabei könnte die Zentralbank ankündigen, jedes Jahr eine Zahl zwischen 0 und 9 auszulosen. Alle Geldscheine, deren Registrierungsnummern auf diese Zahl enden, würden zu einem Stichtag ungültig. Bei möglichen zehn Prozent Verlust erscheint Sparern dann ein Prozent negative Rendite auf Bankeinlagen deutlich attraktiver.

Damit den Wirtschaftswissenschaftlern niemand Ideenlosigkeit vorwerfen kann, haben sie auch eine Alternative zur Lotterie entwickelt: Das selbst entwertende Bargeld. Dabei stimmt der Wert des Geldscheins nicht mehr mit dem Aufdruck überein. Er wird stattdessen über den Magnetstreifen ermittelt. Je länger der Schein nicht verwendet wird, um so mehr verliert er an Wert. Das hört sich verrückt an, hat aber ebenfalls das Ziel, die Menschen vom Bargeldhorten abzuhalten.

All diese Ideen müssen nicht Realität werden. Allerdings klingt Mario Draghis Ankündigung, dass die EZB bei ihren Optionen noch lange nicht am Ende sei, in diesem Kontext beunruhigend.

t.zeller@volksfreund.de

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